Geheimnisvolles in Les Giettes | 18. März 2008

Winterberichte aus dem Juragebirge und den Kantonen Wallis, Waadt und Freiburg.
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Felix
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Geheimnisvolles in Les Giettes | 18. März 2008

Beitrag von Felix »

Im Anschluss an das Skifahren in den Portes du Soleil geht es also noch ins nahegelegene Les Giettes, die grosse Unbekannte dieser Tour. Den Ort erreichen wir nach einer schönen Fahrt auf der Südseite des Val d'Illiez, also abseits der Hauptstrasse in Richtung Monthey. Was würde uns dort wohl erwarten? Dazu eine kleine Reise in die Vergangenheit:
Im Vorfeld bei der Planung der Tour ging ich einige historische Pistenpläne durch und entdeckte darauf drei Skilifte oberhalb von Les Giettes. Bekannt war mir dort jedoch nur ein Giovanola-Skilift und so analysierte ich zunächst mal einige Luftaufnahmen von Google Earth. Die dortigen Bilder stammen von 1995, ich erhoffte mir also, dort noch etwas zu erkennen und ich hatte Glück: Auf den Bildern waren deutlich die Stützen dreier Anlagen zu erkennen. Auch die Karte von swissgeo.ch versprach positives. Hier waren immerhin noch zwei Skilifte eingezeichnet, das Kartenmaterial stufte ich aber als relativ aktuell ein. Eine Recherche im Internet brachte mich aber nicht wirklich weiter. In keinem einschlägig bekannten Forum war etwas von diesem Gebiet bekannt und selbst Google konnte mir nur wenige Ergebnisse liefern, die aufzeigten, dass die Liftgesellschaft von Les Giettes schon vor Jahren Konkurs angemeldet haben soll...
Kurze Zeit später kommen wir am vermuteten Parkplatz in Les Giettes an, es sieht genauso aus wie auf der Karte, die ich mir extra zur Suche der Lifte ausgedruckt habe, jedoch mit einem kleinen, aber entscheidenden Schönheitsfehler: Ich sehe keinen Lift. Einziges Indiz für Skibetrieb ist ein altes Pistenfahrzeug, welches noch einen relativ passablen Zustand aufweist. Ich vermute aber, dass es sich da um ein Fahrzeug für ein lokales Event handelt, welches im Bereich des ehemaligen Parkplatzes im Winter stattfindet. Nach kurzer Suche packe ich meine Kamera ein, nehme die Karte zur Hand und mache mich auf die Suche nach möglichen Überresten der Lifte.


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Der Pistenbully als Indiz für eine Pistenpräparation

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An dieser Stelle kann man auf alten Luftbildern noch einen Lift erkennen. Ich komme für ihn aber scheinbar zu spät, denn von ihm sind nicht mehr die geringsten Überreste zu finden. Vermutlich erschloss er zu Lebzeiten nur diesen kurzen, aber doch mässig steilen Hang bis zum oben sichtbaren Waldrand

Alles, was ich momentan sehe, ist nicht mehr, als eine mit wenigen Schneeresten bedeckte Wiese, die sich nach oben hin immer steiler dem Waldrand annähert. Ein Blick auf meine Karte verrät, dass der zweite Skilift sich hinter einem Buckel befinden muss, gerade hinter einem Bauernhof. Die Spannung ist zu diesem Augenblick kaum mehr zu überbieten. Der Bauernhof taucht langsam auf, kurze Zeit später sehe ich über den Buckel hinweg, doch leider keinen Skilift. Langsam taucht in einem schattigen Loch jedoch etwas sehr Verdächtiges auf. Eine alte Holzhütte baut sich vor mir auf und es gibt keinen Zweifel mehr: Das ist einer der geheimnisvollen Skilifte von Les Giettes! Noch kann ich aber nichts Genaueres erkennen. Ist da noch ein Seil? Oder womöglich noch Bügel montiert?

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Der Schatz von Les Giettes, die wahrscheinlich erste Kamera eines Seilbahnfans hat ihn nun vor der Linse

Das Weiterkommen zur Talstation des Skilifts gestaltet sich aufs Mal äusserst schwierig. Immer wieder rutsche ich auf der glitschigen, von Schnee- und Schlammresten bedeckte Wiese aus und komme nur sehr langsam voran, doch es gibt nun kein Halten mehr. Diesen Skilift muss ich einfach von ganz nah sehen! Nach einigen Minuten des vorsichtigen Abstiegs zur ominösen Holzhütte schaue ich mir den Lift genauer an. Die Stützen sprechen eine eindeutige Sprache, dieser Skilift muss aus Oetwil am See aus dem Kanton Zürich stammen. Auch die Bügel, die zu meinem Erstaunen montiert sind, müssen aus Oetwil kommen. Ich laufe einmal um das Gebäude herum, ehe ich die Hütte betrete. Weder das Umlenkrad noch die Rollenbatterien dieses Kurzbüglers sehen nach Städeli aus... Also mal ein Foto von der Bergstation machen, die ich zum Glück sehen kann... Diese Bauart kommt mir mehr als bekannt vor, doch ich kann sie nicht zuordnen. Die Fenster des Gebäudes sind teilweise verrammelt, obwohl es so aussieht, als ob der Lift sogar diesen Winter einmal mehr als nur eine Rollenumdrehung machte. Auch die Spuren auf dem Trassee des Lifts bestätigen diese Vermutung. Plöztlich tropft ein Wassertropfen auf meinen Kopf, als ich gerade versuche, durch einen Spalt in den Kommandoraum zu fotografieren. Refelxartig schaue ich nach oben und traue meinen Augen nicht. Nein, nicht etwa das Wetter hatte sich schlagartig verschlechtert, da oben steht ja etwas, was für mich mehr als nurvon Bedeutung ist. Das Herstellerschild! Aus der Perspektive von unten kann ich aber nur einen verblassten Schriftzug erkennen, das enzige, was deutlich lesbar ist, ist "Ski- und Sessel-Lifte 8032 Zürich". Hm, Zürich? Kann ja kein Städeli sein! Ich entferne mich ein paar Schritte von dem Gebäude und da erkenne ich pltzlich, dass es sich hier wohl um eine einmalige Entdeckung handelt: Das wahrscheinlich letzte noch lebende Exemplar eines Skima-Skilifts in der Schweiz! Schnell nehme ich alles noch ein wenig genauerunter die Lupe, ob ich noch weitere Anzeichen für den Hersteller finden kann, auf den Bügeln sind allerdings keine Schriftzüge oder Gravierungen zu sehen.

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Der Beweis für die Entdeckung einer Seltenheit

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Ein Blick in die Talstation des Lifts. Fett und Öl tropft von der Umlenkscheibe und vom Antrieb auf den Boden

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Ein Bügel, den ich zunächst für einen Städeli-Gehänge halte, doch der typische WSO-Schriftzug ist nicht zu sehen

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Auch die genaue Betrachtung einiger Gehänge in der Talstation bringt mich nicht weiter. Es ist auch hier kein Indiz für einen Hersteller zu sehen. Womöglich sind diese Gehänge noch original von Skima?

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Ein Blick auf die Strecke des Liftes, der immerhin 300 Höhenmeter macht. Die Spuren verdrängen jegliche Zweifel, dieser Lift muss vor kurzem in Betrieb gewesen sein. Doch warum ist er dann nicht in der TTA-Statistik aufgefhrt? Womöglich war er lange Zeit ausser Betrieb und ist erst seit kurzem wieder funktionstüchtig? Fragen über Fragen, die ich vor Ort nicht beantworten kann.

Vor lauter Staunen vergesse ich fast, dass ich auch noch da bin, um nach dem dritten Skilift zu suchen. Er müsste laut Karte so etwas wie die dritte Sektion gewesen sein. An der Bergstation des Skilifts ist ein Restaurant mit dem Namen "La Chindonne" eingetragen, welches ich aber nicht entdecken kann, doch auf der Anreise wiesen bereits zahlreiche Verkehrsschilder auf das Restaurant hin. Dort muss auch der zweite Skilift beginnen, oder auch begonnen haben, denn ihn kann ich nicht erkennen. Ich versuche, mit Karte und Luftbild die Lage des Liftes auszumachen, doch dort, wo er eingezeichnet ist, sieht man nur mehr eine kleine Schneise. Auch spätere Recherchen bringen mich bei diesem Punkt nicht weiter.

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Die Strecke des zweiten Skilifts, der laut karte biszum Restaurant "La Chindonne" verläuft. Weder das Restaurant noch den letzten Skilift kann ich von hier erkennen. Wurde er ebenfalls abgebrochen und der Skilift ist nur noch ein Privatlift für das Restaurant? Mit diesen Gedanken schliesse ich meine Untersuchungen vor Ort ab.

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Auf dem Rückweg zum Parkplatz komme ich noch an diesem Häusschen vorbei. Die ehemalige Talstation des ersten, kleinen Lifts?

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Ein Pistenplan aus besseren Zeiten, als noch alle drei Lifte hier an diesem misteriösen Ort ihre Runden drehten

Wir versuchen noch, in Richtung des Restaurants zu fahren, doch eine massive Schranke zerstört alle Illusionen, den dritten Lift doch noch zu sehen. Ein Geheimnis besitzt Les Giettes also noch, und es wartet nur darauf, gelüftet zu werden.

Zusammengefasst heisst das also, dass es in Les Giettes drei Skilifte gibt, bzw. gab. Unten ein kleiner Übungslift und dann zwei Sektionen längere Skilifte. Neben dem Skimalift muss es noch einen Giovanola-Skilift gegeben haben. Ich vermute, dass es sich bei ihm um den untersten gehandelt haben muss, denn der obere sieht auf den Luftbildern von der Talstationsstruktur her ziemlich genau so aus, wie der entdeckte Skimalift. Eventuell handelt es sich dabei noch um ein zweites Exemplar. Spätere Diskussionen hier im Forum zeigen, dass mindestens noch ein weiterer Lift in Betrieb sein müsste. Womöglich sogar die dritte Sektion, doch das wird sich wohl zu gegebener Zeit auch noch eindeutig feststellen lassen.

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Beitrag von Königsspitze »

Danke für den Bericht! Schnee lag aber nicht mehr so viel :lol:

Les Giettes kannte ich nur von Namen! :wink:
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Dani
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Beitrag von Dani »

Wie gesagt, les Gittes ist gebucht... :wink:

Schon Hammermässig cool das Gebiet da oben, merci für die Bilder... :)

Wie hoch ist das Gebiet eigentlich? Weil so viel Schnee hats da nicht mehr :( Und woher wusstest du vom Giovanolaskilift?
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Beitrag von Königsspitze »

Die Höhe ist auf dem Plan geschrieben... :wink:

1100 Meter! :wink:
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Beitrag von Felix »

Die Höhe liegt zwischen 1270 und 1700 m, wenn du von oben bis unten fährst, sind es also gute 400 Höhenmeter. Mich wundert es auch, wie wenig Schnee es dort hatte, zumal das fast ein Nordhang ist! Ich kenne mich da aber mit den lokalen Wettergegebenheiten nicht so aus, es kann natürlich auch sein, dass es dort nur bei ganz bestimmten Wetterlagen ordentlich Niederschlag gibt.
Die Info mit den Giovanolaliften hatte MM mal im Alpinforum gepostet, er hatte da mal die Orte genannt, in denen Skilifte von der Firma gebaut wurden.
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