Einsatzgebiete

Die meisten Menschen verbinden Seilbahnen mit Bergen, oder noch genauer, mit dem Skisport. Seit Jahrzehnten bringen seilgezogene Aufstiegshilfen jährlich Millionen von Fahrgästen in die Höhe, damit sie dort ihre Schwünge durch den Pulverschnee ziehen können. In der Tat ist der Wintersport eines der Haupteinsatzgebiete von Seilbahnen und für die meisten Konstrukteure nach wie vor der stärkste Absatzmarkt. Doch Seilbahnen dienen seit jeher noch ganz anderen Zwecken. Ob im Gebirge, auf dem Wasser, an Land oder in der Stadt, die Seilbahn ist in vielerlei Hinsicht ein flexibles und geschätztes Verkehrsmittel für Waren wie für Personen.


Klassischer Einsatzbereich einer Seilbahn: Sesselbahn für Skifahrer in Arosa.

Die Rheinseilbahn in Koblenz sollte ursprünglich nur zur Bundesgartenschau 2011 die beiden Rheinufer verbinden, ist aber mittlerweile ein wichtiges Nahverkehrsmittel in der Stadt.

In ihrer einfachsten Form werden Seilbahnen für Materialtransporte in unwegsamem Gelände genutzt.

Waren- und Lastentransporte

Schon lange vor der heute verbreiteten touristischen Nutzung der Seilbahn stellten solche Konstruktionen vor allem ein geeignetes Mittel dar, Waren und Lasten über längere Strecken zu transportieren. Die ersten Nachweise für die Nutzung von Seilen zum Warentransport finden sich bereits um 250 v. Chr. in China. Die Menschen setzen solche Anlagen seinerzeit ein, um Material über tiefe Taleinschnitte und Schluchten zu ziehen, ohne zu Fuss lange Umwege in Kauf nehmen zu müssen.

Die Bedeutung des Materialtransports per Seilbahn nimmt aber erst viele Jahrhunderte später während der industriellen Revolution zu. Die für die Produktion notwendigen Rohstoffe müssen vielfach in unwegsamem Gelände im Hochgebirge abgebaut werden. Während bereits der Abbau selbst eine logistische Herausforderung bedeutet, ist es der Transport der Abbauprodukte zu den Produktionsstätten allemal. Die seinerzeit von deutschen und britischen Ingenieuren entwickelten Seilbahnsysteme können dieses Problem lösen. Kleine Behälter werden an einem umlaufenden Seil befestigt und transportieren die Rohstoffe kontinuierlich von den Abbaustätten talwärts. Die Ausmasse der Anlagen, die um die Jahrhundertwende in grosser Stückzahl vor allem in Südamerika und Afrika entstehen, sind gewaltig. Bis in über 4000 Meter Höhe dringen die Bahnen in den Anden vor, die längste überwindet im schwedischen Lappland rund 96 Kilometer. Bis heute ist dieser Rekord unübertroffen.


Zu Ausstellungszwecken erhaltene Materialseilbahn in Schweden. Die Seilbahn Norsjö war mit 96 Kilometern Gesamtlänge die längste Seilbahn der Welt.

Abschnitt der ehemaligen Materialseilbahn Norsjö in Schweden.

Detailaufnahme eines Fahrzeugs der Seilbahn Norsjö. Die Anlage diente während Jahrzehnten dem Transport von Erz.

Auch wenn der Transport von Rohstoffen per Seilbahn heute weit weniger bedeutsam ist, so sind nach wie vor einige dieser Anlagen zu ihrem ursprünglichen Zweck in Betrieb. Auch in Europa werden kleinere Materialseilbahnen aber immer noch neu errichtet. Dabei handelt es sich in der einfachsten Form um sogenannte Heuseile als Verbindung zwischen Almwiesen und Tälern. Derartige Bahnen besitzen meist nicht einmal einen automatischen Antrieb, sondern bewegen sich rein durch den Ballast der Abbauprodukte bergab. Die leeren Plattformen werden dann händisch wieder nach oben gezogen. Auch grössere Anlagen sind im Gebirge aber häufig anzutreffen.


Einfaches Heuseil in der Zentralschweiz. Eine Barelle wird mit Heu beladen und entlang des Tragseils ins Tal gefahren.

Kleine Materialseilbahn in den Schweizer Alpen.

Schwerlast-Materialseilbahn zum Transport von Baumaterialien im Gebirge.

In Wintersportgebieten werden Seilbahnen häufig auch als sogenannte Lawinensprengbahnen eingesetzt. Der Bau solcher Anlagen erfolgt, um oberhalb von Skipisten an exponierten Hängen durch Sprengungen kontrollierte Lawinenabhänge herbeizuführen. Die Seilbahn dient dabei dem Transport der Sprengladungen zum gewünschten Standort und lässt sich meist vollautomatisch aus der Ferne steuern.

Urbanes Nahverkehrsmittel

Das wirtschaftlich heute zweifelsohne bedeutsamere Einsatzgebiet der Seilbahn stellt neben dem Material- aber der Personentransport dar. Auch für diese Zwecke sind Seilbahnen aber nicht nur im Gebirge, sondern auch als urbanes Verkehrsmittel im Einsatz. Genau genommen liegt der Ursprung der modernen Personenseilbahn im innerstädtischen Bereich. Schienengebundene Seilbahnen, sogenannte Standseilbahnen, ergänzten aber der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in zahlreichen europäischen Grossstädten das Nahverkehrsnetz. Der Einsatz erfolgte an Stellen, die für andere Verkehrsmittel beispielsweise aufgrund zu starker Steigungen nicht befahrbar waren. Bis heute haben sich diese Anlagen an vielen Orten gehalten und dienen auch heute noch dem öffentlichen Personennahverkehr.


Historische innerstädtische Standseilbahn in Wellington, Neuseeland, erbaut um die Jahrhundertwende.

Teilweise unterirdisch verlaufende Standseilbahn von der Innenstadt zum Bahnhof Lugano.

Innerstädtische Standseilbahn in Zürich zum Rigiblick.

Das Prinzip findet heute auch bei Neubauten in leicht abgewandelter Form nach wie vor Verwendung. Sogenannte CableLiner sind Züge, die auf Schienen fahren und von einem Drahtseil bewegt werden. Häufig trifft man sie als Verkehrsmittel an Flughäfen an. Dort verbinden die CableLiner beispielsweise einzelne Terminals. jüngerer Vergangenheit finden sich in Städten aber auch immer häufiger Seilbahnen, die durch die Luft schweben. Der Vorteil dieser Bauart liegt auf der Hand. Hoch über der Stadt ist die Seilbahn jedem anderen bodengebundenen Verkehrsmittel überlegen. Kein Stau, eine hohe Energieeffizienz, ein vollautomatischer Betrieb, keine aufwendigen Leitungen auf der Strecke, da der Antrieb zentral an einem Ort erfolgt. Hinzu kommt, dass Seilbahnen nicht nur geräuscharm sind, sondern auch umweltschonend, während sie gleichzeitig eine Förderleistung bereitstellen, die jedes andere Verkehrsmittel bei weitem übertrifft.

Weil die notwendige Infrastruktur einer Luftseilbahn extrem begrenzt ist, können derartige Anlagen problemlos in bestehende Verkehrsnetze integriert werden. Insbesondere in Lateinamerika und Nordafrika haben Seilbahnen als Nahverkehrsmittel mittlerweile eine hohe Verbreitung erfahren. Die Seilbahn bietet dort eine weithin beliebte Alternative zu den chronisch überlasteten Verkehrsachsen am Boden. Das grösste derartige Netz an Seilbahnen weltweit besitzt derzeit die bolivische Grossstadt La Paz, mit nicht weniger als zehn verschiedenen Linien quer durch die Stadt. Auch in Europa sind an immer mehr Standorten derartige Anlagen im Gespräch, die tatsächliche Verbreitung ist allerdings bislang weit geringer als in Übersee. Eine Ausnahme stellt beispielsweise die Rheinseilbahn in Koblenz dar, die in das öffentliche Verkehrsnetz der Stadt integriert ist.


Futuristisch anmutende innerstädtische Luftseilbahn in Grenoble zum Aussichtspunkt an der Bastille.

Schiff oder Seilbahn? Seilgezogene Fähre an der Mittelmeerküste nahe Cannes.

Hafenseilbahn im südfranzösischen Toulon auf den Mont Faron, erbaut in den 1950er Jahren.


Mit der Seilbahn dem Stau entgehen: die Rheinseilbahn in Köln macht es möglich!

Innerstädtische Seilbahn in Singapur als Verbindung übers Wasser.

Seilbahn als Nahverkehrsmittel in Koblenz.

Freizeitattraktion

Bereits seit vielen Jahrzehnten finden Seilbahnen auch Verwendung als Transportmittel für Personen auf Messen oder in Freizeitparks. Speziell in Europa und Nordamerika finden sich seit den 1960er Jahren zahlreiche Beispiele für derartige Exemplare. Häufig werden die Bahnen nur temporär aufgestellt und nach dem Ende des Anlasses wieder abgebaut. In vielen Fällen erfreuen sich die Anlagen aber schnell derart grosser Beliebtheit, dass sie letztendlich dennoch dauerhaft an Ort und Stelle verbleiben. Ein Beispiel hierfür ist die erwähnte Rheinseilbahn in Koblenz, die eigentlich nur für die Bundesgartenschau erstellt und im Anschluss wieder abgebaut werden sollte. Auch ihr Pendant in Köln konnte sich nach einer Ausstellung dauerhaft behaupten und ist heute gleichermassen ein Bestandteil der Stadt wie der weltbekannte Dom.

In anderen Fällen werden die Anlagen dagegen tatsächlich nach nur wenigen Monaten wieder abgebaut und im Anschluss meist an andere Abnehmer weiterverkauft. Ein solches Beispiel ist die Seilbahn, die im Rahmen der Expo in Hannover entstand. Sie wurde nach Ende der Ausstellung verkauft und dreht seither am Belchen im Schwarzwald ihre Runden.

Speziell in Nordamerika findet sich in nahezu jedem grösseren Freizeitpark eine Seilbahn. Die Anlagen verbinden wichtige Punkte auf dem Gelände, sind aber auch bereits für sich genommen häufig eine Attraktion.


Seit Ende des Zweiten Weltkriegs erfreuen sich Ausstellungsbahnen in Deutschland grosser Beliebtheit. Viele von ihnen bleiben dauerhaft im Einsatz, wie hier im Westfalenpark in Dortmund.

Sesselbahn als Zubringer zu einer Rodelbahn in Les Deux Alpes.

Mit der Seilbahn zum Strand auf Sentosa Island in Singapur.


Seilbahn mit spektakulärer Aussicht auf die Blue Mountains in Katoomba, Australien.

Sesselbahn mit speziellen Halterungen für Mountainbikes in Lenzerheide.

Transport von Rodelschlitten mit einer Sesselbahn in Queenstown, Neuseeland.

Bergerschliessung

Die nach wie vor grösste Bedeutung besitzen Seilbahnen aber für die Erschliessung von Bergen und Gipfeln. In unwegsamem Gelände ist die Seilbahn meist die einzige veritable Lösung für einen schnellen und sicheren Transport. Der Erschliessung der höchsten Alpengipfel in den 1960er und 1970er Jahren ist es auch heute noch zu verdanken, dass Einheimische wie Touristen komfortabel eine phänomenale Aussicht geniessen können. Diese Anlagen zählen zu den mitunter spektakulärsten Seilbahnen der Welt.


Grosse Seilbahn auf das Rothorn in Zermatt mit Aussicht auf das Matterhorn.

Spektakulärer Tiefblick aus dem Wintersportgebiet auf Verbier und die Walliser Alpen.

Dem Hochnebel entfliehen mit der Seilbahn auf das Stockhorn im Berner Oberland.

Die Anlagen dienen dabei aber nicht nur touristischen Zwecken, sondern stellen häufig auch in diesem Fall einen Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes dar. Auch Privatanlagen zur Erschliessung von Almen oder Häusern über dem Tal sind keine Seltenheit. Naturgemäss fallen solche Bahnen kleiner aus als jene, die aus den grossen Skigebieten bekannt sind. Nichtsdestotrotz ist die Seilbahn auch heute noch für viele Menschen im Gebirge ein unverzichtbares Transportmittel auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule.


Kleine öffentliche Pendelbahn auf der Eggalp in der Zentralschweiz.

Seilbahn als schnelle Verbindung von Jeizinen nach Gampel im Rhônetal.

Moderne Kabinenbahn als Zubringer und öffentliches Nahverkehrsmittel zur Erschliessung der Fiescheralp im Wallis.


Häufig eingesetzt werden Seilbahnen auch im Rahmen von Wasserkraftwerken im Gebirge.

Zu einem Kraftwerk gehörende Seilbahn in den südfranzösischen Pyrenäen.

Kraftwerksbahn am Grimselpass als ganzjähriger Zubringer in die im Winter sonst nicht zugängliche Bergregion.

Wintersport und Skigebiete

Quantitativ häufigste Einsatzorte einer Seilbahn sind seit über sechs Jahrzehnten Skigebiete. Angefangen bei kleinen Schleppliften für die ersten Schwünge über komfortable Sesselbahnen bis hin zu beeindruckenden grossen Luftseilbahnen ist vermutlich jeder Skifahrer der Seilbahn für den kräfteschonenden Aufstieg dankbar.

Aus strategischer Sicht lassen sich die Anlagen in Skigebieten in zwei unterschiedliche Kategorien einteilen. Einerseits gibt es solche Seilbahnen, die primär als Zubringer genutzt werden. Sie dienen meist der Verbindung des Orts mit den weiter oberhalb liegenden Skipisten und werden von den Wintersportlern meist nur einmal am Tag genutzt. Da die meisten Fahrgäste am Morgen bergauf fahren möchten, muss die Förderleistung für diese Stosszeiten konzipiert sein. Zubringeranlagen werden häufig auch von Fahrgästen genutzt, die nicht dem Wintersport nachgehen, sondern beispielsweise lediglich die Aussicht geniessen möchten.


Zubringeranlage in Falera für Fussgänger, Schlittler und Skifahrer.

Parallele Luftseilbahnen in Saas-Fee zur Skigebiets- und Gletschererschliessung.

Doppelstöckige Luftseilbahn als Zubringer in das Skigebiet Samnaun-Ischgl.

Eine kontinuierlichere Auslastung erfahren sogenannte Beschäftigungsanlagen. Sie liegen meist mitten im Skigebiet und dienen der Erschliessung von Skipisten. Die Fahrgäste nutzen derartige Anlagen mehrfach am Tag, um Wiederholungsfahrten auf den erreichbaren Pisten zu machen. Häufig sind solche Bahnen nur für den Transport von Fahrgästen mit angeschnallten Wintersportgeräten und nur für die Bergfahrt zugelassen.


Schlepplift als klassische Beschäftigungsanlage für Wintersportler im Val Müstair.

Moderne Hochleistungssesselbahn in der Silvretta-Arena.

Typische Kabinenbahn aus den 1970er Jahren zur Erschliessung eines Gletscherskigebiets in Laax.