Carlevaro e Savio & Piemonte Funivie

1934 gründen Ugo Carlevaro und Felice Savio in Turin die gleichnamige Firma, die in den folgenden Jahrzehnten zu den gefragtesten Akteuren auf dem italienischen Seilbahnmarkt zählt. Carlevaro, seines Zeichens Professor für Mechanik und Maschinenkunde an der Technischen Hochschule Biella im Piemont, beschäftigt sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit geraumer Zeit mit Transportmitteln im Gebirge, unter anderem im Rahmen einer vorangegangenen Tätigkeit bei Savigliano. Das junge Unternehmen etabliert daraufhin im Zuge des aufstrebenden Wintersports in der Zwischenkriegszeit die Schlittenseilbahn im nördlichen Italien. Die ersten piemontesischen Slittovie, wie die Funischlitten in Italien genannt werden, entstehen Mitte der 1930er Jahre in der Nähe von Biella und Bardonecchia, bald darauf spricht sich die Idee bis nach Corvara in Südtirol herum. Ähnlich wie in der Schweiz verschwinden die Schlittenseilbahnen mit dem Aufstieg des viel leistungsfähigeren Schlepplifts nach dem Zweiten Weltkrieg aber schnell wieder.


Ehemalige Slittovia und Stützenüberreste von Carlevaro e Savio am Passo della Presolana.

Als einer der ersten Hersteller in Italien beginnen Carlevaro e Savio 1946 mit dem Bau von fix geklemmten Einersesselbahnen. Die ersten Exemplare dieser aus Amerika stammenden Idee der Fahrgastbeförderung im Sitzen, die Carlevaro e Savio in Bormio und Bardonecchia erstellen, zählen gleichzeitig auch zu den ersten in Europa. In der Folge konstruieren Carlevaro e Savio aber auch die vor allem in Frankreich zunehmend häufiger anzutreffenden Korblifte und ebnet ihnen damit den Weg nach ganz Italien.

Früh beschäftigen sich Carlevaro e Savio aber auch mit der kuppelbaren Technik für Einseilumlaufbahnen. 1948 patentiert das Unternehmen einen Klemmapparat, der nach einem gänzlich anderen Prinzip arbeitet als diejenigen der Konkurrenz aus der Schweiz und aus Frankreich. Dort setzt man in Anlehnung an die frühen kuppelbaren Materialseilbahnen hauptsächlich auf die Gravitation zur Erzeugung der Klemmkraft. Carlevaro e Savio ist dagegen der erste Konstrukteur, der exklusiv auf Federkraft setzt. Ein Prinzip, dem Jahrzehnte später schliesslich alle anderen Hersteller folgen werden.

Der Prototyp kann 1949 in Alagna eröffnet werden. Die steile Kabinenbahn wird schon damals mit den innovativen eierförmigen Zweierkabinen ausgestattet, die später in vielen anderen Ländern Nachahmer finden. Das System von Carlevaro e Savio ist damit nach der Von Rollschen VR101 erst das zweite kuppelbare Einseilsystem, das für den Personentransport zum Einsatz kommt.


Kabine der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere von Carlevaro e Savio.

Bergstation der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere von Carlevaro e Savio.

Bergstation der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere von Carlevaro e Savio.


Bergstation der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere von Carlevaro e Savio.

Bergstation der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere von Carlevaro e Savio.

Bergstation der ehemaligen Kabinenbahn Alagna-Belvedere von Carlevaro e Savio.

Gemeinsam mit den Gebrüdern Marchisio und weiteren Ingenieuren gründen Carlevaro e Savio 1955 die ebenfalls in Turin ansässige Firma Piemonte Funivie. Der Ableger dient der weiteren Verbreitung der entwickelten Technologien innerhalb Italiens und greift dabei auch auf die Kuppelklemme von Carlevaro e Savio zurück. 1956 erstellt das Unternehmen die erst zweite solche Anlage in Italien am Col Checrouit in Courmayeur. Bis 1972 ist Piemonte Funivie hauptsächlich innerhalb Italiens, in wenigen Fällen aber auch im Ausland, im Bau kuppelbarer Anlagen nach dem System Carlevaro e Savio tätig.

Piemonte Funivie bedient jedoch auch den Bereich der Konstruktion von Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb, von denen mehrere beeindruckende Exemplare in Norditalien eröffnet werden können. Bereits in den 1950er Jahren entstehen Anlagen in Macugnaga und Aosta, 1961 folgt eine zweite Achse von Breuil-Cervinia nach Testa Grigia in 3500 Metern über dem Meer parallel zur bestehenden Seilbahn aus den 1930er Jahren.


Kleine Luftseilbahn mit Pendelbetrieb von Piemonte Funivie in Macugnaga.

Kleine Luftseilbahn mit Pendelbetrieb von Piemonte Funivie in Macugnaga.

Kleine Luftseilbahn mit Pendelbetrieb von Piemonte Funivie in Macugnaga.


Typische Luftseilbahn mit Pendelbetrieb aus den 1960er Jahren von Piemonte Funivie in Oropa.

Typische Luftseilbahn mit Pendelbetrieb aus den 1960er Jahren von Piemonte Funivie in Oropa.

Typische Luftseilbahn mit Pendelbetrieb aus den 1960er Jahren von Piemonte Funivie in Oropa.

Entsprechend erfolgreich lassen sich die neuen Errungenschaften vermarkten und finden im europäischen Ausland mit den Firmen Câbles et Monorails in Frankreich und Heckel in Deutschland mehrere Lizenznehmer. In den 1950er Jahren stossen Carlevaro e Savio teils unter eigenem Namen, teils in Kooperation mit einem lokalen Unternehmen unter der Marke Telecar auch auf den US-amerikanischen Markt vor und kann dort insbesondere die beliebten fix geklemmten Zweiersesselbahnen realisieren, aber 1957 im Bundesstaat New Hampshire mit der Seilbahn Wildcat auch die erste kuppelbare Einseilumlaufbahn des Landes.

Mehrere weitere Anlagen in den USA folgen daraufhin. Bereits ein Jahr später nimmt in Sugarbush das zweite Exemplar den Betrieb auf, in den 1960er Jahren folgen auch Anlagen mit vierplätzigen Fahrzeugen in Freizeitparks. Den Höhepunkt in den USA stellt für Carlevaro e Savio die Eröffnung der drei Sektionen umfassenden Seilbahn Killington im Jahr 1968 dar. Eine Gesamtlänge von 5,5 Kilometern, einer Geschwindigkeit von vier Metern in der Sekunde und eine Förderleistung von 1500 Personen pro Stunde sind damals Weltrekord. Eine interessante Abwandlung des Prinzips wenden Carlevaro e Savio am Mount Snow an. Die Kabinen sind bei den beiden 1964 und 1969 eröffneten Anlagen dahingehend verändert, dass die Wintersportler ihre Ski während der Fahrt angeschnallt lassen können. Faktisch handelt es sich dabei also um den Vorläufer eines Sessels mit Wetterschutzhauben. 1965 kommt die Idee auch bei einer Anlage im französischen Argentière zum Einsatz.

Trotz des unbestreitbaren Erfolgs sind Carlevaro e Savio vergleichsweise kurz im Seilbahnbau tätig. Nach dem Tod von Savio wird das Unternehmen 1969 vom Traditionshersteller Agudio übernommen. Agudio setzt daraufhin unter eigenem Namen ebenfalls die Kuppeltechnik von Carlevaro e Savio ein, steigt aber nach kurzer Zeit auf eine eigene Neuentwicklung um.

Das eigenständige Unternehmen Piemonte Funivie geht daraufhin einen anderen Weg. Das Unternehmen bleibt noch bis in die 1980er Jahre auf dem italienischen Seilbahnmarkt präsent und erstellt während dieser Zeit vorrangig weitere Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb. Auch im Bau von Schleppliften und fix geklemmten Sesselbahnen versucht sich Piemonte Funivie zu dieser Zeit, kann aber quantitativ bei weitem nicht mit den auf diesem Gebiet etablierten Herstellern Leitner und Marchisio mithalten. 1980 setzt Piemonte Funivie erstmalig bei einer Kabinenbahn in San Martino di Castrozza eine eigene, weiterentwickelte Klemme für vierplätzige Fahrzeuge ein. Das Exemplar soll jedoch ein Unikat bleiben, denn technisch ist das System der Konkurrenz von Agudio, die zur gleichen Zeit bereits sechsplätzige Kabinen vertreibt, unterlegen. Der Name Piemonte Funivie verschwindet in der Folge ab 1984 endgültig aus dem italienischen Seilbahnbau.

Patente im Zusammenhang mit Carlevaro e Savio

Carlevaro 1951 Klemme FR1106261A
Carlevaro 1953 Beschleunigungsschlitten AT187142B
Carlevaro 1965 Kabine DE1933650U
Carlevaro 1969 Einzugsapparat US3439627A