Graffer
Wie viele seiner späteren Konkurrenten kommt auch der in Trento ansässige Giovanni Graffer als begeisterter Berg- und Wintersportler zum Seilbahnbau. 1935 realisiert Graffer am Monte Bondone oberhalb seiner Heimatstadt eine erste Schlittenseilbahn als Aufstiegshilfe an den gut frequentierten Skihängen. Die Bahn ist ein Novum in den nordöstlichen Landesteilen Italiens, im Piemont findet das System dagegen zur gleichen Zeit durch Carlevaro e Savio Verbreitung. 1938 kann Graffer einen ersten Schlepplift in Madonna di Campiglio eröffnen.
Der Zweite Weltkrieg unterbricht die Tätigkeit Graffers im Seilbahnbau, doch schon kurz nach Kriegsende kann er 1946 die erste Einersesselbahn Italiens eröffnen. Die Versuchsanlage an der Marmolata ist noch sichtbar ein Prototyp, die gesammelten Erfahrungen erlauben Graffer aber schon kurze Zeit später, auch mit der Konstruktion der in Italien beliebten Korblifte zu starten. Ein erster entsteht 1952 erneut am Monte Bondone, eine weitere beeindruckende Anlage erschliesst sechs Jahre später die Cristallo-Scharte in Cortina d’Ampezzo. Zu Beginn der 1960er Jahre startet Graffer dann in die Serienproduktion der Korblifte und Sesselbahnen.
Ältere Einersesselbahn von Graffer mit charakteristisch massiven Beton-Niederhaltestützen in La Polsa.
Auch Schlepplifte gesellen sich ab Mitte des Jahrzehnts dazu. Mit ihnen gelingt Graffer als einem der ersten italienischen Hersteller auch die Etablierung im europäischen Ausland. Anfänglich insbesondere in Jugoslawien, später – teilweise durch lokale Lizenznehmer – auch in Skandinavien. Nachdem Graffer bereits 1962 in Collagna die erste fix geklemmte Zweiersesselbahn Italiens eröffnen kann, folgt bereits in der ersten Hälfte der 1980er Jahre der Schritt hin zu dreiplätzigen Fahrzeugen. Das Unternehmen zählt damit weiterhin zu den festen Grössen des italienischen Seilbahnbaus.
Ende der 1980er Jahre steht Graffer allerdings vor dem gleichen Problem wie viele andere einheimische Hersteller. Die fix geklemmten Bahnen sind aufgrund der aufstrebenden Kuppeltechnik längst nicht mehr so gefragt wie noch wenige Jahre zuvor. Gemeinsam mit Agudio übernimmt Graffer zu dieser Zeit die aus den gleichen Gründen bereits wirtschaftlich angeschlagene Firma Nascivera und führt die Geschäfte unter dem Namen Gradio fort. Auch dieses in Rovereto ansässige Unternehmen konzentriert sich weiterhin vorrangig auf die fix geklemmten Anlagen, realisiert aber mit Unterstützung von Agudio und dessen Kooperationspartner Poma wenige kuppelbare Sesselbahnen.
Nach der Übernahme Agudios durch Poma endet deren Kooperation mit Graffer und damit auch deren Zugang zu einem modernen Kuppelsystem. Zur gleichen Zeit scheidet Giovanni Graffer aus dem Unternehmen aus und übergibt die Geschäfte an seinen Sohn Filippo. Graffer entscheidet sich daraufhin, den einheimischen Vorreitern im Bau kuppelbarer Anlagen, Agamatic und Leitner, unter eigenem Namen Paroli zu bieten. So erfolgt 1991 die Entwicklung eines eigenen Kuppelsystems für Einseilumlaufbahnen mit einer neu entworfenen Spiralfederklemme. Drei Jahre später kann auf dem eigenen Firmengelände ein voll funktionsfähiger Prototyp in Betrieb genommen werden. Die Konstruktion ist auf Augenhöhe mit der Konkurrenz und mit kompakten Stationen im Tunnelröhrendesign ausgestattet, wie sie die Mitstreiter in Form von Leitner ebenfalls einsetzen. Ein Abnehmer findet sich in der Folge trotzdem nicht. Und so kommen die Graffer-Kuppelklemmen letztlich nie bei einer öffentlichen Anlage zum Einsatz.
Den Schleppliften und fix geklemmten Sesselbahnen bleibt Graffer dennoch treu. Und so ist das Unternehmen nach zwischenzeitlicher Insolvenz und Eigentümerwechsel bis heute im Seilbahnbau aktiv. Unter anderem entsteht 2022 nach vielen Jahren auch wieder ein Korblift aus dem Hause Graffer, der am Monte Baldo oberhalb des Gardasees den Betrieb aufnimmt.