Neyret-Beylier & Neyrpic
Als eines der ersten Unternehmen konstruieren die Vorläufer der späteren Firma Neyret-Beylier unter dem Eigentümer Casimir Brenier 1874 bei Grenoble eine der ersten Luftseilbahnen für den Materialtransport in Frankreich. Anders als bei den damals im angelsächsischen und deutschen Raum verbreiteten Anlagen mit Umlaufbetrieb handelt es sich bei der Seilbahn am Mont Jalla um eine Pendelbahn. Die Anlage dient der Zementproduktion und setzt ähnlich wie die innerstädtischen Standseilbahnen zu jener Zeit auf einen gravitationsbasierten Antrieb. Die befüllte, schwerere Lore zieht die andere, leere Lore während ihrer Fahrt ins Tal automatisch den Berg hinauf.
Mit dem sukzessiven Eintritt von André Neyret und Charles Beylier in das Unternehmen konzentriert sich die nun unter dem Namen Neyret-Beylier auftretende Firma Ende des 19. Jahrhunderts auf den Bau von Turbinen für Wasserkraftwerke, erstellt aber vereinzelt auch Materialseilbahnen für industrielle Zwecke. Erneut ist es in Grenoble, wo Neyret-Beylier auch erstmals im Bau einer Luftseilbahn für den Personentransport aktiv wird. In Zusammenarbeit mit dem führenden deutschen Konstrukteur auf diesem Gebiet, der Firma Bleichert, entsteht 1934 die erste innerstädtische Luftseilbahn der Welt von der Grenobler Innenstadt zur Bastille. Die Technik stammt seinerzeit aber vollständig aus dem Hause Bleichert.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt Neyret-Beylier unter Federführung des Ingenieurs Pierre Goirand mit der Entwicklung und Patentierung eigener Ideen für Luftseilbahnen, sowohl im industriellen als auch im touristischen Bereich. Dazu zählt unter anderem ein neu entwickeltes Laufwerk für Pendelbahnen mit innovativer Fangbremse. Ab 1947 firmiert das Mutterunternehmen, das bereits seit 1917 mit dem Ingenieurbüro Piccard-Pictet zusammenarbeitet, unter dem Namen Neyrpic und kann ab dem darauffolgenden Jahrzehnt seine Erfindungen an mehreren grossen Pendelbahnen in den französischen Alpen in die Realität umsetzen. Zu den ersten Anlagen zählt 1952 die Seilbahn Saulire in Courchevel, weitere Bahnen folgen im Jahr darauf in Chamrousse und in Pralognan-la-Vanoise. Eine eindrückliche, stützenlose Pendelbahn erschliesst ab 1963 den Pic Blanc oberhalb von Alpe d’Huez in über 3300 Metern über dem Meer.
Goirand ist jedoch auch Pionier auf dem Gebiet der Umlaufbahnen. Bereits für die Materialseilbahnen mit Trag- und Zugseil entwirft er 1947 eine Schwerkraftklemme. Das gleiche Prinzip wendet er wenige Jahre später auch bei der Entwicklung eines Klemmapparats für Einseilumlaufbahnen an. Erstmalig kann Neyret-Beylier eine Kabinenbahn mit diesem Klemmensystem 1952 in Les Deux Alpes eröffnen. Es ist nach der von Câbles et Monorails im Jahr zuvor eröffneten Kabinenbahn in Villard-de-Lans erst die zweite in Frankreich.
Das System von Goirand entwickelt sich in der Folge zum grössten Konkurrenten der ähnlich aufgebauten Klemmen von Roger Laurent, der zur gleichen Zeit mit den Unternehmen Sarrasola und Applevage in den französischen Alpen Kabinenbahnen erstellen kann. Neyrpic kann weitere Anlagen mit den Klemmen von Goirand unter anderem 1956 in Tignes an der Tovière und zwei Jahre später an der Pene Blanque in Gourette eröffnen. Ebenfalls 1958 entsteht an den Grottes de Bétharram in den Pyrenäen eine Anlage mit einer markanten Kurvenkonstruktion. Die von Goirand patentierte Kurve basiert auf dem Prinzip einer Abfolge von schräg gestellten Niederhalte- und Tragerollenbatterien. 1970 wird diese Bahn mit vierplätzigen Kabinen und Doppelklemmen von Goirand bestückt.
Die 1960er Jahre bringen noch eine weitere bedeutende Erfindung im Seilbahnbau hervor. Goirand entwickelt für den Bau eines Deichs in den Niederlanden eine selbstfahrende Seilbahn. Die Anlage in Grevelingen an der Nordsee verkehrt mit eigens angetriebenen Kabinen, die auf einem Tragseil entlangfahren. Bis zu zwölf Fahrzeuge können dabei gleichzeitig zum Einsatz kommen. Das Prinzip des Selbstfahrers scheint aufgrund der grossen möglichen Förderleistungen auch für den Personentransport attraktiv. 1972 entsteht eine erste solche Anlage in Les Deux Alpes. Ein Zusammenstoss zweier Kabinen im dichten Nebel mit mehreren Todesopfern besiegelt aber schon kurze Zeit später das Ende der Anlage und auch des touristischen Personentransports mit Selbstfahrern im Gebirge allgemein. Die Seilbahn wird daraufhin von Ceretti e Tanfani in eine klassische Pendelbahn umgebaut.
Der tragische Unfall von Les Deux Alpes führt letztlich auch zum Ausstieg von Neyrpic aus dem Seilbahnbau. Goirand kooperiert zu Beginn der 1970er Jahre noch mit Montaz Mautino im Rahmen der Entwicklung eines Systems für kuppelbare Sesselbahnen, durchsetzen kann sich die Idee damals aber noch nicht.
Patente im Zusammenhang mit Neyret-Beylier
Neyret-Beylier 1947 Klemme FR1004844A
Neyret-Beylier 1953 Bremssystem FR1037826A
Neyret-Beylier 1953 Laufwerk FR1048658A
Neyret-Beylier 1958 Klemme AT194900B
Neyret-Beylier 1959 Kurve FR1192915A
Neyret-Beylier 1960 Klemme CA597971A
Neyret-Beylier 1960 Klemme CH348977A
Neyret-Beylier 1960 Lore FR1229968A
Neyrpic 1965 Laufwerk FR1463136A