Von Roll
Die Ursprünge des heute weltweit tätigen Von-Roll-Konzerns gehen bis in das Jahr 1803 zurück. Die damaligen Eisenwerke der Handelsgesellschaft der Gebrüder Dürholz & Co. werden bald nach ihrer Gründung von Ludwig von Roll, einem Ratsherrn aus Solothurn, übernommen. 1823 entstehen daraus die Ludwig von Rollschen Eisen- und Stahlwerke. Im Zuge der industriellen Revolution wächst das Unternehmen rasant und verteilt seine Geschäftstätigkeit schon bald darauf auf mehrere weitere Werke in der Schweiz. Die Erzeugnisse finden zu dieser Zeit insbesondere im Bau von Eisen- und Zahnradbahnen Verwendung.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird auch die mit der Eisenbahn eng verwandte Standseilbahn zu einem immer häufiger gefragten Verkehrsmittel. Von Roll steuert daraufhin nicht nur die Eisenerzeugnisse zum Bau bei, sondern konstruiert derartige Anlagen auch selbst. Während die Seilbahnsparte Von Rolls ihre Produkte anfänglich vor allem im urbanen Bereich absetzen kann, wird gegen Ende des Jahrhunderts auch der aufkeimende Fremdenverkehr zu einem wichtigen Markt. 1890 erschliesst eine Von-Roll-Standseilbahn den Monte San Salvatore bei Lugano, wenige Jahre später folgen weitere touristisch orientierte Anlagen auch in Davos und St. Moritz. Eine der beeindruckendsten Standseilbahnen nimmt in zwei Sektionen und mit über 1600 Metern Höhendifferenz 1911 am Niesen im Berner Oberland den Betrieb auf.
Die Bodengebundenheit der Standseilbahn und die dadurch eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten in schroffem Terrain veranlassen Von Roll nach der Jahrhundertwende dazu, auch den Bau von Luftseilbahnen aufzunehmen. Dieses Prinzip ist durch die deutschen und britischen Pioniere auf dem Gebiet der Materialseilbahnen zu diesem Zeitpunkt bereits weit verbreitet, Personentransporte erfolgen jedoch nur selten. Gemeinsam mit dem deutschen Ingenieur Wilhelm Feldmann beginnt Von Roll 1906 die Planung einer touristisch orientierten Luftseilbahn von Grindelwald auf das Wetterhorn. In vier Sektionen soll der Gipfel erreicht werden. Die erste Sektion des sogenannten Wetterhornaufzugs kann bereits zwei Jahre später eröffnet werden. Zwei Kabinen schweben ohne jegliche Stützen zwischen der Talstation in Grindelwald und der Bergstation Engi hin und her. Neben dem Pendelprinzip übernimmt Von Roll mit einer Fangbremse auch ein weiteres zentrales Sicherheitselement aus dem Standseilbahnbau beim Wetterhornaufzug. Die wenigen Mitbewerber in diesem Feld setzen damals noch auf zusätzliche Hilfsseile für den Fall eines Seilrisses.
Der ausbrechende Erste Weltkrieg bereitet jedoch nicht nur dem Wetterhornaufzug ein jähes Ende, sondern sorgt auch dafür, dass Von Roll den Luftseilbahnbau vorerst nicht weiter verfolgt. Für den Bau derartiger Anlagen für touristische Personentransporte ist in der Folge europaweit die deutsche Firma Bleichert führend. Erst 1936 tritt Von Roll im Bau von Luftseilbahnen wieder in Erscheinung, als das Unternehmen die erst kurz zuvor eröffnete Anlage von Beckenried zur Klewenalp umbaut. Drei Jahre später entsteht in Zürich eine temporäre Luftseilbahn zur Landwirtschaftsausstellung, die über den Zürichsee führt. Zur gleichen Zeit nutzt Von Roll seine Expertise aus dem Standseilbahnbau auch zur Konstruktion der immer beliebter werdenden Funischlitten für Wintersportler. Insbesondere im Berner Oberland entstehen derartige Schlittenseilbahnen nach den Ideen Arnold Annens.
Der Durchbruch im Tourismussektor gelingt Von Roll dann aber mit einem anderen System. 1945 kann in Flims die erste kuppelbare Sesselbahn der Welt den Betrieb aufnehmen. Nach langjähriger Planung und Versuchen gelingt es Von Roll, mit der VR101 eine Kuppelklemme zu konstruieren, die die zweiplätzigen Sessel automatisch und sicher an das umlaufende Förderseil klemmt. Durch den Stillstand der Sessel in den Stationen gestaltet sich der Ein- und Ausstieg gegenüber dem aus den USA stammenden Prinzip der fix geklemmten Sesselbahn deutlich komfortabler und gefahrloser. Das System mit seinen charakteristisch seitlich zur Fahrtrichtung ausgerichteten Sitzflächen findet in den folgenden Jahren allein in der Schweiz dutzende Abnehmer, zahlreiche Exemplare entstehen aber auch im restlichen Europa und in Nordamerika. Insgesamt liefert Von Roll bis Mitte der 1970er Jahre mehr als 100 Anlagen mit VR101-Klemmen.

Auch geschlossene Kabinen kommen bei VR101-Anlagen in Europa vereinzelt zum Einsatz, wie hier am Jenner.
Mit dem Abflauen des Interesses an Standseilbahnen konzentriert sich Von Roll neben den VR101-Anlagen nach dem Zweiten Weltkrieg auf Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb. Das Wettrüsten der verschiedenen Hersteller zu jener Zeit sorgt dafür, dass die Alpengipfel innert kürzester Zeit mit immer grösseren Anlagen erschlossen werden. 1950 setzt Von Roll erstmalig 40-plätzige Kabinen in Klosters ein, 1963 kommen bereits doppelt so grosse Kabinen am Corvatsch in Silvaplana zum Einsatz. Zwei Jahre später entsteht in Zermatt die erste Pendelbahn mit 100-plätzigen Kabinen auf Schweizer Boden, zur gleichen Zeit nimmt eine beeindruckende, drei Sektionen umfassende Anlage von Stechelberg auf das Schilthorn den Betrieb auf.

Die Von-Roll-Pendelbahn zum Schilthorn oberhalb von Mürren im Berner Oberland geht im Rahmen der James-Bond-Verfilmung in die Filmgeschichte ein.
Nach den unzähligen Gipfelerschliessungen in über 3000 Metern über dem Meer gelingt es Von Roll zu Beginn der 1970er Jahre, ein in vielen Punkten standardisiertes und dementsprechend preislich attraktives Pendelbahn-System zu entwickeln. Weitgehend ähnliche Anlagen mit je 80-plätzigen Kabinen entstehen zu Beginn des Jahrzehnts in Sörenberg, Leukerbad, Adelboden-Lenk, Flims, Unterwasser und Beckenried. Von Roll zählt damit neben Habegger zu den grössten Produzenten von Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb in der Schweiz. 1979 folgt mit der Eröffnung der Klein-Matterhorn-Seilbahn bis in 3820 Meter Höhe ein weiterer Meilenstein.
Die Idee der kuppelbaren Sesselbahn findet ab den 1960er Jahren in Europa allerdings kaum noch Interesse. Andere Hersteller sind dazu übergegangen, geschlossene und damit wettergeschützte Kabinen als Fahrbetriebsmittel einzusetzen. Auch Von Roll setzt bei seinem VR101-System in Europa vereinzelt zweiplätzige Kabinen ein, konzentriert sich ab Mitte des Jahrzehnts aber auf ein neues Prinzip. In Anlehnung an die Zweiseilumlaufbahnen der 1950er Jahre nach dem System Wallmannsberger entwickelt Von Roll ein eigenes Laufwerk, das 1965 in Anzère erstmalig zum Einsatz kommt. Wirklich durchsetzen kann sich die Idee trotz weiterer Abnehmer in Singapur und Madrid jedoch gegenüber den kostengünstigeren Einseilumlaufbahnen der Konkurrenz nicht. Und so entwickelt Von Roll stattdessen die Baureihe VR101 weiter, die mit der Nachfolge-Klemme VR102 ab Ende der 1960er Jahre bei vierplätzigen Kabinenbahnen zum Einsatz kommt. Das neue System findet mit Doppelmayr einen prominenten Lizenznehmer, der die Klemme ab den 1980er Jahren in weiterentwickelter Form auch bei kuppelbaren Sesselbahnen einsetzt.
Um das Portfolio weiter auszubauen, übernimmt Von Roll 1975 den Berner Seilbahnkonstrukteur Bühler. Bühler ist Spezialist auf dem Gebiet der fix geklemmten Sesselbahnen und Gletscherschlepplifte und wird mit seinen standardisierten und kompakten Konstruktionen schweizweit innert kürzester Zeit populär. Von Roll konstruiert Schlepplifte und Sesselbahnen daraufhin mit identischer Technik wie Bühler.
Auf dem Gebiet der kuppelbaren Anlagen steigt Von Roll zu Beginn der 1980er Jahre auf eine rein schwerkraftbasierte Klemme um. Das Konkurrenzsystem von Giovanola, das zu diesem Zeitpunkt seit über drei Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt wird, basiert auf dem gleichen Prinzip und ist dadurch deutlich günstiger im Unterhalt, verglichen mit der aufwendigen Federkonstruktion der VR102. Der Nachfolger kommt jedoch nicht als VR103 auf den Markt, sondern erst in einer Weiterentwicklung unter der Bezeichnung VR104. Erneut handelt es sich um eine Doppelklemme, die bei vier- bis sechsplätzigen Kabinen zum Einsatz kommen kann. 1981 nimmt die erste derartige Anlage in Veysonnaz den Betrieb auf, ein Jahr später eine zweite in Zermatt. Ein drittes Exemplar entsteht zur selben Zeit im kanadischen Banff.
Die als zukunftsträchtig angesehene Idee wird aber schon alsbald wieder verworfen, als Von Roll 1981 die angeschlagene Maschinenfabrik Habegger von der Berner Kantonalbank kaufen kann. Von Roll übernimmt damit den einst grössten nationalen Konkurrenten und kann seine Position auf dem internationalen Seilbahnmarkt so deutlich stärken. Die Seilbahnsparte des Konzerns verlässt daraufhin Bern und findet auf dem ehemaligen Gelände von Habegger in Thun eine neue Heimat. Während der folgenden Jahre tragen Seilbahnen aus dem Hause Von Roll daher auch den Zusatz Habegger. Erst zu Beginn der 1990er Jahre verschwindet letzterer Bestandteil aus dem Namen, woraufhin die Sparte unter Von Roll Transportsysteme firmiert.

Nach der Übernahme von Habegger wird deren System mit Gewichtsabspannung weitergeführt, wie hier in Bosco/Gurin.
Von Roll übernimmt aber nicht nur den Namen, sondern auch die Konstruktionen von Habegger. So kommt fortan die von Habegger genutzte Giovanola-Klemme zum Einsatz, ebenso wie die Konstruktionen von Schleppliften und fix geklemmten Sesselbahnen. 1984 löst die neue VH400-Klemme das fast vier Jahrzehnte alte Giovanola-System endgültig ab. Die neue Klemme mit einer Kombination aus Feder- und Gewichtskraft kommt im selben Jahr bei einer kuppelbaren Dreiersesselbahn mit Wetterschutzhauben am Horneggli in Schönried und einer weiteren in Celerina erstmals zum Einsatz. Verschiedene Abwandlungen folgen in den nächsten Jahren. Eine Doppelversion kommt ab 1987 bei sechsplätzigen Kabinenbahnen zum Einsatz, ab Anfang der 1990er Jahre setzt Von Roll die VH400-Idee in deutlich kleinerer und leichterer Form auch bei kuppelbaren Zweiersesselbahnen ein. Mit dem Lizenznehmer Tosaku findet das VH400-System ab Mitte der 1980er Jahre auch den Weg nach Japan.

Die erste kuppelbare Sesselbahn nach der VR101-Ära konstruiert Von Roll 1984 in Celerina. Heute ist diese Anlage in Zuoz in Betrieb.

Ebenfalls 1984 erstellt Von Roll am Horneggli in Schönried die erste moderne kuppelbare Sesselbahn mit Wetterschutzhauben.

Die 1987 eröffnete Sesselbahn am Crap Sogn Gion in Laax ist nicht nur die erste von Von Roll mit echten Kompaktstationen, sondern auch eine der kapazitätsstärksten der Alpen.

1987 kommt die zuvor bereits bei Sesselbahnen genutzte VH400-Klemme in Zweisimmen in Doppelversion erstmalig auch bei einer Kabinenbahn zum Einsatz.

Eine der beeindruckendsten Anlagen von Von Roll aus der Baureihe VH400 entsteht zu Beginn der 1990er Jahre im Skigebiet First in Grindelwald.

Zu Beginn der 1990er Jahre konstruiert Von Roll mit der Baureihe VH400 light ein Modell für kuppelbare Zweiersesselbahnen. Nach Saanenmöser nimmt 1992 in Wengen die zweite solche Anlage den Betrieb auf.

1993 nimmt in Bellwald die dritte und letzte Anlage aus der Baureihe VH400 light von Von Roll den Betrieb auf.
Die Idee der kostengünstigen Erweiterung fix geklemmter Zweiersesselbahnen mit der Miniatur-Version der VH400 entpuppt sich als grosser Erfolg und findet mit der Quattro-Baureihe 1994 einen weiteren Ableger. Inspiriert von den kompakten Stationen der Konkurrenten bei kuppelbaren Vierersesselbahnen entwickelt Von Roll ein minimalistisches Konzept, bei dem die Stützen für eine einfache Hubschraubermontage lotrecht stehen und die Stationen mit einer passiven Abspanneinrichtung versehen sind. Zwei Anlagen dieser Baureihe entstehen in Airolo und Torgon, 1995 finden zahlreiche Ideen auch Einzug beim Bau der ersten kuppelbaren Sechsersesselbahn von Von Roll in Celerina.

1994 hat Von Roll das Light-System soweit weiterentwickelt, dass eine Modifikation auch bei Vierersesselbahnen zum Einsatz kommen kann. Die erste solche Bahn nimmt in Airolo den Betrieb auf.
Grössere Kabinenbahnen zählen bei Von Roll aber weiterhin ebenfalls zum Portfolio. Einsatz findet das VH400-System daher auch bei bis zu zwölfplätzigen Stehkabinen, vorrangig in der Westschweiz und in Frankreich, teilweise durch den Lizenznehmer Skirail. Noch deutlich grösser fällt die Symbiose aus klassischer Pendelbahn und Kleinkabinenumlaufbahn aus. Von Roll kombiniert 1991 beim Alpinexpress in Saas-Fee die Vorteile beider Betriebsprinzipien, indem 30-plätzige Kabinen von einem Zugseil bewegt und dabei von zwei parallelen Tragseilen gestützt werden. Lange Spannfelder können so erstmalig mit einer hohen Förderleistung kombiniert werden. Ein avantgardistisches System, das aufgrund der immensen Kosten vorläufig aber nur ein weiteres Mal 1994 in Saas-Fee in Form einer zweiten Sektion zum Einsatz kommt.

Auch im Bau von grossen Kabinenbahnen mit Stehkabinen versucht sich Von Roll ab Ende der 1980er Jahre, wie hier in Grimentz.

Der 1991 durch Von Roll konstruierte Alpinexpress in Saas-Fee ist der Prototyp der Zweiseilumlaufbahn mit zwei Tragseilen.
Trotz der vielen Innovationen und internationalen Standorte beabsichtigt Von Roll Mitte der 1990er Jahre, seine Seilbahnsparte abzustossen. Letztlich ist es das österreichische Unternehmen Doppelmayr, das 1996 den Bereich übernimmt. Doppelmayr ist zu diesem Zeitpunkt gerade dabei, auf dem Schweizer Seilbahnmarkt wieder Fuss zu fassen und erweitert sein Produktportfolio durch die neue Expertise im Bau von Standseilbahnen und Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb erheblich. In diesen Bereichen lebt die Von-Roll-Seilbahntechnik bis heute weiter. Insbesondere das auf Von Roll zurückgehende Prinzip der Umlaufseilbahn mit zwei Tragseilen zählt zu den erfolgreichsten und prestigeträchtigsten Angeboten des Doppelmayr-Konzerns, der diese Seilbahnen unter der Bezeichnung 3S vertreibt.

Eine der letzten grossen Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb konstruiert Von Roll Mitte der 1990er Jahre auf der Lauchernalp.
Patente im Zusammenhang mit Von Roll
Von Roll 1937 Schlittenfahrzeug CH194928A
Von Roll 1939 Fangbremse DE677036C
Von Roll 1944 Fangbremse CH249808A
Von Roll 1944 Klemme CH246166A
Von Roll 1944 Umlaufbahn Mitnehmerklemmen CH249282A
Von Roll 1946 Klemme AT164890B
Von Roll 1949 Seitwärtssessel DE851817C
Von Roll 1952 Laufwerk Lore CH314191A
Von Roll 1953 Notbremse DE921029C
Von Roll 1959 Laufwerk CH336859A
Von Roll 1959 Stütze AT214476B
Von Roll 1965 Laufwerk DE1952443U
Von Roll 1976 Klemme CH594522A5
Von Roll 1976 Klemme DE2710234A1
Von Roll 1977 Klemme AT365134B
Von Roll 1983 Klemme WO8501922A1
Von Roll 1986 Doppelkette CH672765A5
Von Roll 1986 Stationsumlauf EP0275403A1
Von Roll 1987 Laufwerk CH679766A5
Von Roll 1987 Reifenbeschleuniger EP0249839A2
Von Roll 1988 Garagierung CA1291720C
Von Roll 1988 Kurve EP0327882A2
Von Roll 1988 Laufwerk EP0283888A2
Von Roll 1989 Klemme CH678163A5
Von Roll 1990 Abspannung EP0378489A1
Von Roll 1990 Bergebahn 3S EP0399413A1
Von Roll 1990 VH400 Light Quattro EP0433703A1