Yan Lift Engineering

Janek Kunczynski hat bereits eine erfolgreiche Karriere als Skirennläufer hinter sich, als er 1962 von Polen in die USA auswandert. Kunczynski bleibt dem Bergsport insoweit treu, als dass er daraufhin als Ingenieur für das Unternehmen Pomalift tätig ist, das ab 1954 in Nordamerika Schlepplifte und Sesselbahnen in Lizenz von Poma konstruiert. Kunczynski ist unter anderem verantwortlich für die Erstellung mehrerer Anlagen im kalifornischen Skigebiet Squaw Valley.

Mit guten Aussichten auf eine Vergrösserung des Absatzmarkts angesichts der zunehmenden Wintersportbegeisterung der Amerikaner verlässt Kunczynski Pomalift, um 1965 sein eigenes Unternehmen zu gründen. Lift Engineering spezialisiert sich auf die Erstellung der in den USA florierenden fix geklemmten Sesselbahnen und vertreibt diese – in Anlehnung an den Vornamen Kunczynskis – unter der Marke Yan. Die ersten Anlagen entstehen noch im Gründungsjahr erneut in Squaw Valley.

Yan macht sich schnell einen Namen als innovativer Hersteller. So ist das Unternehmen das erste, das in den 1970er Jahren auf den komfortablen und kapazitätsstarken Ein- und Ausstieg unter der Umlenkscheibe bei Sesselbahnen setzt. Im hart umkämpften Markt der Sesselbahnen erkennt Yan jedoch auch, dass nicht nur die Technologie entscheidend für die Aufträge ist, sondern auch das Design eine grosse Rolle spielt. Yan ist der erste Hersteller, der konsequent die Optik seiner Anlagen optimiert, insbesondere die Stationen und Stützen, und findet so unzählige Abnehmer für seine Konstruktionen. Ende der 1970er Jahre erstellt Yan teilweise über 20 neue Sesselbahnen pro Jahr in den USA. Hinzu kommen gleichzeitig Exemplare in Europa. Als einzigem US-amerikanischen Hersteller gelingt es Yan, seine Produkte auch jenseits des Atlantiks im grossen Stil zu vertreiben. Mit dem französischen Unternehmen Transcâble findet Yan einen Kooperationspartner, der ab 1975 Anlagen nach seinen Ideen konstruiert. Auch die Nachfolgefirmen Mécalift und Skirail führen die Zusammenarbeit in den 1980er Jahren fort.


Ropetow von Yan im Skigebiet von Val d'Isère.

Ropetow von Yan im Skigebiet von Val d'Isère.

Die Firma Montaval griff in Lizenz auf Yan-Konstruktionen zurück, wie hier bei einer höhenverstellbaren Station in Val d'Isère.

Bereits zu diesem Zeitpunkt wird an Yans Konstruktionen in den USA aber auch Kritik laut. Im Zuge des Kostendrucks aufgrund der starken Konkurrenz standardisiert Yan nicht nur viele Bauteile, sondern greift auch zu fragwürdigen Mitteln. So ist es Mitte der 1980er Jahre gängige Praxis, dass die Teile nicht in der Fabrik fertiggestellt werden, sondern Rohmaterial vor Ort zusammengeschweisst wird. Dieses Vorgehen führt 1985 schliesslich zu einem schwerwiegenden Unfall im Skigebiet Keystone in Colorado. Wegen fehlerhafter Schweissnähte bricht die Umlenkscheibe bei einer Dreiersesselbahn aus der Bergstation heraus, was in zwei Todesopfern und unzähligen Verletzten resultiert.

Vor Gericht können sich die Betroffenen mit Kunczynski auf einen Vergleich einigen, und dank unverändert vielen Abnehmern widmet sich Yan erfolgreich einem weiteren Projekt. Kuppelbare Seilbahnen sind Mitte der 1980er Jahre in Europa immer häufiger anzutreffen. Immer mehr Hersteller setzen auf die kapazitätsstarken Anlagen für den Skisport, die die Fahrzeiten verkürzen und den Komfort erhöhen. In Kooperation mit Von Roll-Habegger erstellt Yan 1983 im kalifornischen Squaw Valley eine Kabinenbahn mit sechsplätzigen Fahrzeugen und Giovanola-Klemmen.

Nach nur einem Jahr Entwicklungszeit kann Yan Ende 1984 aber bereits den ersten Prototyp mit einem eigenen Kuppelsystem eröffnen. Eine kuppelbare Kabinenbahn mit sechsplätzigen Fahrzeugen nimmt im Dezember jenes Jahres in Keystone den Betrieb auf. Die Bahn ist bezogen auf die technischen Daten auf Augenhöhe mit den europäischen Pendants. Zahlreiche kleinere Probleme beeinträchtigen den Betrieb jedoch von Beginn an. Nach dem erwähnten Unglück an der Dreiersesselbahn im gleichen Skigebiet entschliesst sich der Betreiber 1985 aus Sicherheitsgründen auch zur Stilllegung der Kabinenbahn und lässt sie daraufhin durch ein Exemplar des Schweizer Herstellers Von Roll ersetzen.

Ungeachtet der Erfahrungen wendet Yan seine Kuppeltechnik kurze Zeit später auch bei Sesselbahnen an. Kern der Problematik bleibt die eigens entwickelte Kuppelklemme, die sich in mehreren Punkten von den europäischen Konstruktionen unterscheidet. So setzt Yan auf beidseits des Förderseils platzierten Gummifedern zum Aufbringen der Klemmkraft. Das Seil wird dabei in einer Einkerbung zusätzlich durch das Eigengewicht des Sessels festgeklemmt. Beide Prinzipien haben zahlreiche – auch sicherheitsrelevante – Nachteile und im laufenden Betrieb kommt es zu enormen Verschleisserscheinungen. Nichtsdestotrotz kann Yan während der folgenden zehn Jahre 31 kuppelbare Sesselbahnen in den USA und in Kanada realisieren. Erneut bestechen die Anlagen vor allem durch ihr extravagantes Stationsdesign.


Talstation einer kuppelbaren Sesselbahn System Yan in den spanischen Pyrenäen mit auffälligen Designelementen.

Stützen einer Yan-Sesselbahn mit Y-förmigen Anhebeböcken in Anlehnung an den Namen des Gründers.

Charakteristische Rollenbatterie von Yan.

Noch im Jahr der ersten kuppelbaren Sesselbahn kann das Unternehmen im kalifornischen June Mountain einen weiteren Prototyp eröffnen. Das sogenannte QMC ist eine Einseilumlaufbahn mit Kabinen, die insgesamt vier voneinander unabhängige Seilschleifen aufweist. Das Prinzip ist dabei unverkennbar angelehnt an das kurze Zeit zuvor vom französischen Ingenieur Denis Creissels entwickelte DMC. Anders als bei diesem verkehren die Seile für die Berg- und Talfahrt aber vollständig unabhängig voneinander. Eine Kabine wird bei der Ausfahrt aus einer Station automatisch an zwei Seile geklemmt, welche auf der gleichen Fahrspur wieder zurückgeführt werden. Der horizontale Abstand der Seile übersteigt dabei die Kabinenbreite. Ein Prinzip, auf das Creissels seinerseits ab 1990 auch bei seinem Funitel-Prinzip für eine höhere Windstabilität zurückgreift.

Die grosse Anzahl an Seilen und beweglichen Teilen, der daraus resultierende Energieverbrauch und Verschleiss sowie die fortwährende Problematik der Klemmen sorgen dafür, dass auch das QMC keinen langfristigen Erfolg hat. Yan gerät durch die gescheiterten Entwicklungen zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. 1995 besiegelt ein weiteres tragisches Unglück das endgültige Ende des Unternehmens. Im kanadischen Whistler stürzen nach einem abrupten Stopp wegen eines fehlerhaften Bremssystems bei der kuppelbaren Haubensesselbahn Quicksilver vier talwärts fahrende Sessel ab. Nach dem Keystone-Unglück und einem Sesselabsturz in Sierra at Tahoe im Jahr 1993 ist es bereits der dritte schwerwiegende Zwischenfall auf einer Yan-Sesselbahn. Zwei Menschen sterben bei dem Unglück, acht weitere werden teils schwer verletzt.

In Whistler ist es nicht der erste Unfall dieser Art, denn bereits in den Monaten vor dem Unglück kommt es zu mehreren Sesselabstürzen. Nur weil sie unbesetzt sind, kommen damals keine Menschen zu Schaden. Zurückzuführen sind die Probleme letztlich auf konstruktionsbedingte Unzulänglichkeiten. Obwohl die Klemmen nach den ersten Abstürzen revidiert werden, kann der erneute Zwischenfall nicht verhindert werden. Die Klemmen – wegen der Haubensessel sogar in grösserer Ausführung als bei den anderen Anlagen von Yan – sind für die Steigungen der Sesselbahn schlichtweg nicht ausreichend dimensioniert. Nach dem Unglück von Whistler zeigen Untersuchungen auch bei zahlreichen anderen kuppelbaren Sesselbahnen von Yan ähnliche Ermüdungserscheinungen des Materials. Die Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe kann das Unternehmen nicht mehr begleichen und muss daraufhin Insolvenz anmelden. Alle kuppelbaren Yan-Seilbahnen werden in der Folge entweder stillgelegt oder von den europäischen Herstellern umgebaut und mit deren Klemmen ausgestattet.


Hydraulische Abspanneinrichtung einer Yan-Sesselbahn.

Schlichte Talstation einer Yan-Sesselbahn in den spanischen Pyrenäen.

Kurioserweise überleben die Yan-Klemmen dafür in Europa noch deutlich länger. In den spanischen Pyrenäen dreht eine durch einen Lizenznehmer erstellte kuppelbare Vierersesselbahn noch bis 2019 ihre Runden, ehe auch dort ein Sessel abstürzt. Bei dem Unfall kommt niemand zu Schaden, die originalen Yan-Klemmen sind seither aber nirgendwo mehr im Einsatz. Im Iran ist dagegen noch eine letzte Anlage in Betrieb, bei der die Klemmen aber modifiziert und mit Spiralfederklemmen ausgestattet sind.


Yan-Kuppelklemme in der Gesamtansicht.

Yan-Kuppelklemme in der Gesamtansicht.

Gummifedern zur Aufbringung der Klemmkraft an einer Yan-Kuppelklemme.

Patente im Zusammenhang mit Yan

Yan 1977 Abspannung US4470355A
Yan 1977 Sessel US4179994A
Yan 1981 Klemme WO8302095A1
Yan 1985 Klemme WO8701081A1
Yan 1988 Klemme US4860664A
Yan 1988 QMC EP0285516A2
Yan 1988 QMC US4848241A
Yan 1988 QMC WO8909714A1
Yan 1991 Haubensessel US5213048A