Zuegg

Luis Zuegg beginnt nach einem Studium der Elektrotechnik in Graz 1907 mit dem Bau seiner ersten Seilbahn. Die Anlage dient als Materialseilbahn dem Transport von Baustoffen für die Errichtung einer Braunpappefabrik. Inspiriert von den ersten grösseren Luftseilbahnen für Personentransporte, die 1908 am Wetterhorn in Grindelwald und von Bozen nach Kohlern den Betrieb aufnehmen, bewirbt er sich für den Bau einer Seilbahn von seiner Heimatstadt Lana auf das Vigiljoch. Den Zuschlag erhält jedoch das renommierte Industrieunternehmen Ceretti e Tanfani, das bereits vor der Jahrhundertwende mehrere kleinere Pendelbahnen für Personentransporte im Rahmen von Ausstellungen eröffnen kann und auch zu den führenden Grössen im Bau von Materialseilbahnen zählt. 1909 beginnen Ceretti e Tanfani gemeinsam mit dem Schweizer Bergbahnpionier Emil Strub die Projektierung der Anlage, die 1912 schliesslich fertiggestellt werden kann.

Die Behörden stellen bei der Abnahme allerdings mehrere Sicherheitsmängel fest, woraufhin Zuegg mit der Beseitigung beauftragt wird und so letztlich doch noch seinen Beitrag zu dieser frühen Personenseilbahn leistet. Der Erste Weltkrieg bedeutet zwar ein vorübergehendes Ende des kommerziellen Personentransports mit derartigen Seilbahnen, für Luis Zuegg ist die Zeit im Hinblick auf seine weiteren Erfindungen aber eine sehr bedeutsame. Der junge Ingenieur ist während des Kriegs im Seilbahnwesen der italienischen Streitkräfte tätig. Feldseilbahnen als Transportmittel für Mensch und Maschine sind in den Gebirgsgefechten ein gefragtes Mittel, sodass Zuegg unzählige dieser Anlagen projektieren und realisieren kann.

Drahtseile sind damals noch wenig erforscht. Insbesondere lassen die Konstrukteure und Behörden Vorsicht walten bei der Abspannung der Seile. Ceretti e Tanfani benötigen aus diesem Grund bei der Vigiljochbahn auch nicht weniger als 39 Stützen, da die Seildurchhänge andernfalls viel zu gross ausfallen würden. Zuegg kritisiert die Vorgaben bezüglich der maximalen Spannkraft von Tragseilen bereits zu Beginn seiner Tätigkeit im Seilbahnbau. Und so kommt es letztlich aus der Not heraus zu einem Umdenken. In Lavarone erhält Zuegg den Auftrag zum Bau einer Materialseilbahn, die er aber wegen eines zu kurz gelieferten Tragseils nicht fertigstellen kann. Zuegg spannt die Tragseile daraufhin auf eigene Verantwortung entgegen den Vorgaben mit bis zu einem Drittel der Bruchlast ab. Der deutlich geringere Seildurchhang sorgt dafür, dass die Strecke somit mit der vorhandenen Seillänge befahren werden kann. Gleichzeitig bewirkt die stärkere Abspannung aber auch eine geringere Biegung des Seils, was die Lebensdauer deutlich erhöht.

Nachdem Zuegg in Meran eine weitere Anlage mit entsprechender Seilspannung realisieren kann, korrigieren die Behörden die Grenzwerte 1924 nach oben. Diese Anpassung sorgt in der Folge für einen regelrechten Boom im Bau von Luftseilbahnen rund um den Globus. Die teils kilometerlangen Spannfelder, die heute nicht selten bei Luftseilbahnen anzutreffen sind, wären ohne die Ideen und das Durchsetzungsvermögen von Zuegg undenkbar.

Die Seilspannung ist jedoch nicht die einzige bahnbrechende Veränderung im Seilbahnbau, die Zuegg zugeschrieben wird. Noch während des Kriegs gelingt es Zuegg, die Zugseile auch zur Übertragung von Telefonsignalen zu nutzen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Anlagen noch mit einem zusätzlichen Telefonseil ausgestattet, an das die Kabine im Notfall für einen Hilferuf manuell angeschlossen werden muss. Eine weitere Seileinsparung plant Zuegg durch Rückgriff auf die bereits bei Von Roll und Feldmann am Wetterhornaufzug erprobte Tragseilbremse. Im Falle eines Zugseilrisses klemmt diese die Kabine automatisch am Tragseil fest. Das zusätzliche Bremsseil, das beispielsweise Ceretti e Tanfani bei der Vigiljochbahn und später in Chamonix einsetzen, kann damit eingespart werden.

Zueggs Ideen bleiben nicht lange unentdeckt und so kommt es Mitte der 1920er Jahre zu einer Zusammenarbeit mit dem damals weltgrössten Seilbahnhersteller, der deutschen Firma Bleichert. Das Unternehmen aus Leipzig ist bereits seit dem 19. Jahrhundert im Bau von Materialseilbahnen für Rohstofftransporte weltweit vertreten, betritt aber erst mit Luis Zuegg den Markt der Luftseilbahnen für Personentransporte. Die Patente von Zuegg münden schliesslich in das gemeinsame Pendelbahn-System Bleichert-Zuegg, das die Seilbahnwelt daraufhin revolutioniert. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kann Zuegg sieben Anlagen realisieren, Bleichert gar weitere 22. Zu den bedeutendsten Exemplaren zählen die Tiroler Zugspitzbahn bis in knapp 3000 Meter über dem Meer, die Hafenseilbahn in Barcelona mit der damals höchsten Stütze bei einer Personenseilbahn oder die fast drei Kilometer lange Schmittenhöhebahn in Zell am See.

1938 zieht sich Luis Zuegg altersbedingt aus dem Seilbahnbau zurück. Seine Ideen bleiben aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg für die Konstruktion von Pendelbahnen weiterhin relevant. Mitte der 1950er Jahre etwa wird die Vigiljochbahn in Lana durch einen Neubau ersetzt. Nur vier Stützen – und damit 35 weniger als der Vorgänger – benötigt die Anlage daraufhin aufgrund der viel grösseren Spannung der Tragseile. Mit [hst=hoelzl]Karl Hölzl[/hoelzl] steigt nach dem Zweiten Weltkrieg auch ein ehemaliger Mitarbeiter Zueggs unter eigenem Namen in den Bau von Pendelbahnen ein. Die Seilbahntradition in Lana lebt daraufhin weiter.

Patente im Zusammenhang mit Zuegg

Zuegg 1920 Pendelbahn CH87126A
Zuegg 1921 Pendelbahn FR515286A
Zuegg 1921 Telefonsignal AT86108B
Zuegg 1921 Tragseilbremse CH88481A
Zuegg 1923 Tragseilbremse AT93611B
Zuegg 1924 Schwingungsdämpfer DE414856C