Standseilbahnen

Grundlegende Systemeigenschaften

Die Standseilbahn ist zweifelsohne das System, das die wenigsten Leute auf den ersten Blick mit dem Begriff Seilbahn assoziieren. Wegen ihrer Schienen werden die Anlagen oftmals mit Eisen- oder Zahnradbahnen verwechselt. Wie einleitend aber bereits erwähnt, ist der Unterschied bei genauerem Hinsehen schnell erkennbar. Bei Standseilbahnen werden die Wagen von einem Drahtseil gezogen, während Eisen- und Zahnradbahnen über Lokomotiven oder Triebwagen selbst für ihr Fortkommen sorgen.


Zahnradbahn am Gornergrat in Zermatt.

Zahnradbahn am Gornergrat in Zermatt.

Zahnradbahn auf den Monte Generoso.

Das Grundprinzip der Standseilbahn ist also, dass die Tragefunktion von den Schienen übernommen wird, während die Bewegung der Fahrzeuge durch ein Zugseil erfolgt. Dadurch können Standseilbahnen weitaus stärkere Steigungen überwinden als jedes andere schienengebundene System. Das Seil wird auf der Strecke durch im Gleisbett platzierte Rollen geführt. Die Trassierung kann dabei grundsätzlich Kurven in beliebige Richtungen besitzen, was die Standseilbahn trotz ihrer Bindung an den Boden zu einem äusserst flexiblen System macht. Die Spurweite der Schienen beträgt üblicherweise einen Meter.

Meist sind Standseilbahnen für einen Pendelbetrieb mit zwei Wagen ausgelegt, die sich zwischen den beiden Endstationen der Strecke bewegen. In den Stationen befinden sich Bahnsteige, die aufgrund des Streckengefälles regelmässig mit Stufen ausgestattet sind. Variierende Steigungen sind für Standseilbahnen auch insofern ein Problem, als dass die Wagen je nach Steigungswinkel unterschiedlich stark geneigt sind. Sitzplätze und Boden liegen daher während der Fahrt nicht immer horizontal. Frühere Anlagen versuchten, einen Kompromiss zwischen dem flachsten und steilsten Streckenabschnitt zu finden. In diesem Zusammenhang wurde stets auch versucht, die Steigung auf der Strecke durch Brückenbauwerke und Tunnels möglichst konstant zu halten. Neuere Bahnen besitzen dagegen einen Niveauausgleich, durch den sich der Wagen automatisch dem jeweiligen Steigungswinkel anpasst.


Unterirdische Hochleistungsstandseilbahn in Tignes als Zugang zu einem Gletscherskigebiet.

Private Standseilbahn mit Niveauausgleich der Kabinen in Arosa.

Standseilbahn zur Schatzalp in Davos, eine der ersten touristisch genutzten Seilbahnen der Welt.

Aus dieser ursprünglichen Form der Standseilbahn haben sich im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Systeme entwickelt, die früher teilweise speziell für den Wintersport konzipiert waren und heute dagegen vor allem als urbanes Nahverkehrsmittel Einsatz finden. Die einzelnen Varianten sollen nachfolgend im Detail vorgestellt werden.

Schienen-Standseilbahnen mit festen Klemmen

In ihrer klassischen Variante besitzt die Standseilbahn, wie angesprochen, zwei Wagen, die über ein Zugseil fest miteinander verbunden sind und sich im Pendelbetrieb zwischen Tal- und Bergstation bewegen. Diese Form ist jene, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Ergänzung zur Eisenbahn für den innerstädtischen Personentransport auf kurzen Strecken etablieren konnte. Wie angesprochen wurde hierbei häufig ein Ballastantrieb herangezogen, der das Abwasser der Kanalisation zum Beschweren des bergseitigen Wagens nutzte, um den talseitigen hinaufzuziehen. Dieses einfache Prinzip wirkt auch heute noch im Bau von Standseilbahnen nach, denn die Antriebsanlage wird auch heute meist in der Bergstation platziert, von der aus die Bewegung der beiden Wagen dann gesteuert wird.

Aus verschiedenen Gründen werden die Wagen bei modernen Anlagen jedoch ähnlich wie bei Luftseilbahnen mit Pendelbetrieb auch über die jeweils untere Seite mit einem Seilstrang verbunden, sodass sich eine umlaufende Zugseilschleife ergibt. Diese wird in einer der beiden Stationen abgespannt und ermöglicht es damit auch, dass der Antrieb in der Talstation platziert werden kann. Gleichermassen wird es durch dieses Prinzip auch möglich, horizontale oder abschüssige Abschnitte auf der Strecke zu befahren. Das Zugseil kann dabei einerseits mithilfe eines Vergusskopfes an den Wagen befestigt sein oder andererseits auch in eine gespleisste Endlosschleife gelegt werden, an die der Wagen dann mit einer klassischen festen Klemme befestigt werden.

Die Verwandtschaft der Standseilbahn zur Eisen- und Zahnradbahn war in den Anfangsjahren lange Zeit auch daran festzumachen, dass Standseilbahnenen als Sicherungsbremse ein Zahnstangensystem nutzten. Dieses war dafür konzipiert, den Wagen im Falle eines Seilrisses sicher zum Stillstand zu bringen. Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich jedoch eine neuartige Bremskonstruktion durch, das nach den Erfindern benannte System Bucher-Durrer. Bei diesem ist eine Fangbremse direkt an den Führungsschienen angebracht. Diese löst bei einem plötzlichen Wegfall der Zugkraft am Seil automatisch aus und klemmt den Wagen an der Schiene fest. Das System wird in weiterentwickelter Form bis heute eingesetzt und erlaubt es, dass die zusätzliche Zahnstange wegfallen kann.


Die Giessbachbahn in Brienz, mit Baujahr 1879 die älteste noch existierende Standseilbahn der Schweiz.

Standseilbahn in Fribourg mit Zahnstange und Wasserballastantrieb.

Führerstand der Standseilbahn Fribourg.

Ein besonderer technischer Bestandteil einer Schienen-Standseilbahn mit zwei Wagen ist darüber hinaus die Begegnungszone in der Streckenmitte. Da der überwiegende Teil der Strecke nie von beiden Wagen gleichzeitig befahren wird, wäre der Einsatz von unabhängigen Fahrbahnen extrem ineffizient. Aus diesem Grund besitzen Standseilbahnen in der Regel eine eingleisige Strecke mit einer Ausweiche in der Streckenmitte. An dieser Stelle verzweigt sich die Strecke vorübergehend auf zwei Fahrbahnen. Um auf bewegliche Teile an der Weichenanlage verzichten zu können, sind die Wagen einer Standseilbahn nur auf einer Seite mit Rädern ausgestattet, die einen Spurkranz besitzen. Auf der jeweils anderen Seite besitzen die Wagen Walzräder, die für die notwendige Stabilität sorgen. Die Seite mit den Spurkranzrädern befindet sich jeweils an der Aussenseite der Wagen und gibt an der Ausweiche die Richtung vor. Ein bestimmter Wagen befährt also stets dieselbe Seite der Ausweichstrecke. Das Prinzip geht zurück auf Roman Abt, seines Zeichens auch Erfinder des Abtschen Systems für Zahnradbahnen, und wird daher auch als Abtsche Ausweiche bezeichnet. Es zählt auch heute, weit über ein Jahrhundert nach seiner Erfindung, zu den festen Bestandteilen einer Standseilbahn.


Aufbau einer Standseilbahn mit Walzrad (links) und Rad mit Spurkranz (rechts) zum Befahren einer Abtschen Ausweiche.

Fangbremse einer Standseilbahn nach dem System Bucher-Durrer.

Anordnung der Schienen bei einer Abtschen Ausweiche am Beispiel der Harderkulmbahn in Interlaken.

Neben der klassischen Variante mit zwei Wagen ist häufig auch eine Form der Schienen-Standseilbahn mit nur einem Wagen anzutreffen. Bei diesem Prinzip befährt der fest am Seil fixierte Wagen die Strecke, indem das Zugseil in der Bergstation auf einer Seilwinde auf- und abgerollt wird. Derartige Standseilbahnen werden daher auch als Windenbahnen bezeichnet. In diesem Zusammenhang stellt sich häufig auch die Frage, worin sich eine Standseilbahn von einem Schrägaufzug unterscheidet. Schrägaufzüge besitzen grundsätzlich ein vergleichbares Funktionsprinzip, bei dem ein Wagen von einem Drahtseil über eine schräge Ebene in Form einer Schiene gezogen wird. Ob eine solche Konstruktion eine Standseilbahn oder ein Schrägaufzug ist, ist von aussen meist nicht erkennbar. Massgebend für die Unterscheidung ist, ob die Anlage nach Seilbahn- oder Aufzugsrichtlinien bewilligt wurde.

Schienen-Standseilbahnen mit lösbaren Klemmen

Der Pendelbetrieb mit permanent am Seil fixierten Wagen ist zweifelsohne der Klassiker unter den Systemen der Schienen-Standseilbahn. In geringer Anzahl existieren aber auch Anlagen, bei denen die Wagen automatisch lösbar an einem umlaufenden Zugseil befestigt werden. Bei diesem Umlaufbetrieb bewegt sich das Zugseil also kontinuierlich, während die Wagen in den Stationen erst vom Seil gelöst und dann abgebremst werden. Nach dem Fahrgastwechsel werden sie durch entsprechende Fördereinrichtungen wieder auf die Seilgeschwindigkeit beschleunigt und erneut festgeklemmt.

Durch diese Modifikation gegenüber dem klassischen System können grundsätzlich beliebig viele Wagen eingesetzt werden. Das steigert insbesondere auf längeren Strecken die Förderleistung gegenüber dem Zwei-Wagen-Prinzip erheblich. Ebenso können entlang der Strecke Zwischenstationen eingebaut werden, an denen die Wagen ebenfalls für den Fahrgastwechsel anhalten. Insbesondere im urbanen Bereich findet dieses System daher zunehmend Verwendung. Die Förderleistungen übertreffen diejenigen von klassischen Verkehrsmitteln des öffentlichen Nahverkehrs deutlich, während die Anlagen gleichzeitig vollautomatisch und daher sehr kosteneffizient betrieben werden können.

Das Prinzip ist übrigens keineswegs eine Erfindung aus jüngerer Vergangenheit. Auch die weltbekannten Cable Cars in San Francisco, deren Strecken teilweise seit 1873 in Betrieb sind, stellen eine Ausprägung der Schienen-Standseilbahn mit lösbaren Klemmen dar. Das eingesetzte System ist mit manuellen Bremsen etwas rudimentärer als bei modernen Anlagen, das Grundprinzip ist aber identisch.

Schlitten-Standseilbahnen

Standseilbahnen müssen jedoch nicht zwingend auf Schienen fahren. Laufe der Geschichte entwickelten sich speziell für den Wintersport auch Systeme, die ohne Schienen den Berg hinaufkommen. Sogenannte Schlitten-Standseilbahnen, auch Funischlitten genannt, erfreuten sich insbesondere in der Schweiz und in Italien in den 1930er und 1940er Jahren grosser Beliebtheit. Zwei Schlitten fuhren bei diesem System auf Kufen den Berg hinauf und hinunter, während sie von einem Zugseil bewegt wurden.

Das Betriebsprinzip war daher grundsätzlich mit dem der Schienen-Standseilbahn mit festen Klemmen vergleichbar. Einziger Unterschied war wie erwähnt, dass keine Schienen die Richtung bei der Fahrt vorgaben, sondern in erster Linie das Zugseil. Ein Wagenbegleiter konnte über lenkbare Kufen an der Vorderseite des Schlittens darüber hinaus in begrenztem Maße Einfluss auf die Fahrtrichtung nehmen. Im Gegensatz zur Schienen-Standseilbahn konnte sich das Schlitten-System jedoch langfristig nicht behaupten. Der Schlepplift mit seiner deutlich höheren Förderleistung lief dem Funischlitten bereits nach kurzer Zeit den Rang ab. Trotzdem waren beispielsweise in der Schweiz noch bis in die 1990er Jahre vereinzelte Funischlitten für Wintersportler im Einsatz.

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