In der Metro auf die Piste

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Dani
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In der Metro auf die Piste

Beitrag von Dani »

www.nzz.ch hat geschrieben:In der Metro auf die Piste
Blick hinter die Kulissen der 1984 im Skigebiet von Saas Fee eröffneten unterirdischen Standseilbahn

Mit der Metro Alpin in Saas Fee gelangt man bis auf fast 3500 Meter. Das klingt rekordverdächtig und ist es auch. Tatsächlich ist diese Metro die höchste unterirdische Standseilbahn der Welt.

Ursula Wiegand

Bei der Fahrt zur Bergstation Mittelallalin spüren wir die Steigung. Bänke zum Sitzen gibt es nicht und trotz dem Führerstand keinen Fahrer. Wir stehen im ersten Wagen und schauen auf die Strecke. Die windet sich mehrmals. Mal zieht der Zug mässig bergan, mal macht er Tempo. «48,2 Prozent Steigung haben die steilsten Abschnitte», erklärt Peter Geiser, technischer Leiter bei den Bergbahnen von Saas Fee. «Unfälle hat es noch nie gegeben», ergänzt Ronald Bumann, seines Zeichens Leiter Technik/Support. «Selbst Kinder dürfen alleine fahren.» Doch aufgepasst: Jeden Morgen vor Betriebsbeginn wird eine Probefahrt durchgeführt und einmal im Jahr eine Bergungsübung für sämtliche Bahnen. Dies ist Pflicht. Und die Vorgabe lautet: Innerhalb von zwei Stunden müssen alle Passagiere geborgen sein.

Bisher war das Gott sei Dank noch nie nötig. Ein Thema ist dagegen stets das Wetter. Windgeschwindigkeiten von 100 Kilometern pro Stunde sind in diesen Höhen keine Seltenheit. Und auch wenn sie der unterirdischen Bahn nichts ausmachen, bleiben die Zugänge zur Alpin-Metro bei Sturm geschlossen. Der Grund: Würden die Wintersportler bei der Abfahrt stürzen und sich verletzen, könnte man ihnen bei derart garstigem Wetter nicht schnell genug helfen.

Ein gewichtiges Vorhaben
Die Metro Alpin von Saas Fee ist kein ganz gewöhnliches Verkehrsmittel. In solchen Höhen und zwischen Felsen und Gletschern ist sowieso nichts mehr normal. Die Baugeschichte klingt stellenweise wie ein Krimi, und die Männer, die auf über 3000 Metern mehr als drei Jahre schufteten, waren echte Helden. «Die eigentliche Herausforderung beim Bahnbau, der am 1. September 1981 begann, war der Transport der schweren Gerätschaften auf 3000 Meter Höhe», erklärt Bumann. Die Tunnelbohrmaschine wog 110 Tonnen, zusammen mit dem Nachläufer sogar 150 Tonnen. Also musste manches vorher im Tal zerlegt werden. Die Teile hat man per Helikopter oder mit der alten Felskinnbahn hinaufgeschafft. An einem Spezialgehänge schwebten der 12 Tonnen schwere Bohrkopf mit den 33 Meisseln – Durchmesser: 4,20 Meter – und später auch die 16,5 Meter langen und 10,1 Tonnen schweren Bahnwagen. Am 3. März 1982 begann der Bohrbetrieb.

Explodierende Kosten
Nach dieser Einführung lassen uns die beiden Herren einen Blick in den Maschinenraum werfen. Warm und laut ist es dort. Bumann öffnet den Schaltschrank. Schon dessen Innenleben nötigt uns Respekt ab. Noch mehr bestaunen wir das riesige, 5 Tonnen schwere Antriebsrad. «Das wird mit einem Gleichstrommotor angetrieben. Der erreicht eine Spitzenleistung von 998 Kilowatt und schafft eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 10 Metern pro Sekunde», erfährt man weiter. Bei einem Stromausfall tritt ein Hilfsantrieb in Aktion. Auch eine Notbremse ist vorhanden.

Warum hat man denn Motoren und Antriebe so mühsam zur Bergstation geschafft? Hätte man die Metro nicht auch den Berg hinauf schieben können? Die Antwort der Experten: «Der Antrieb von oben hat einen besseren Wirkungsgrad und ist auf Dauer preiswerter.» Womit wir bei den Kosten angelangt sind, welche seinerzeit explodierten. Weshalb? «Das fragen Sie am besten meinen Vater. Der war der Initiator dieser Metro», meint Ronald Bumann, zieht sein Handy aus der Tasche und meldet mich für den Nachmittag an.

Ein gebräunter Mann mit weissem Haar öffnet lächelnd die Tür. Seine 83 Jahre sieht man ihm nicht an. Auch nicht die zahlreichen Kämpfe, die er für seine Projekte geführt hat. Mit 24 Jahren war Hubert Bumann Bürgermeister von Saas Fee und damit der jüngste in der Schweiz. Mit Elan und Weitblick machte er sich zunächst für die Strasse von Saas Grund nach Saas Fee stark, die 1951 fertig war. Wenig später – als Vorsitzender der 1953 gegründeten Luftseilbahnen AG – setzte er sich für komfortable Bergbahnen ein.

An eine Metro dachte zunächst niemand. Vielmehr plante man eine Verlängerung der Gondelbahn Saas Fee – Felskinn über die Sektion Mittelallalin bis zum Feekopf auf 3888 Metern Höhe. Das Vorhaben wurde zwar von der Regierung in Bern genehmigt, doch protestierten Naturschützer und der Schweizerische Alpenclub heftig gegen diese «Entweihung der Berge». Die Regierung zog die Genehmigung zurück, gab allerdings für die verkürzte Variante bis Mittelallalin – die jetzige Bergstation – grünes Licht. Auf die Metro-Variante kam man, nachdem das nahe Zermatt sich für eine solche entschieden hatte. Mit veranschlagten 26 Millionen Franken war dieses Beförderungsmittel allerdings erheblich teurer als eine Luftseilbahn. An Bumanns Argument, dass sich die höheren Baukosten später durch niedrigere Betriebsausgaben amortisieren würden, glaubte in Saas Fee kaum einer. Hubert Bumann wurde zum «Buhmann».

Die Mär von der Ratten-Attacke
Es kam noch ärger. Trotz umfänglichen Berechnungen ergaben sich beim Bau unvorhergesehene Schwierigkeiten. Bumann holt ein Buch aus dem Schrank und schlägt eine Seite mit einer Zeichnung auf. Diese zeigt die unterschiedlichen Gesteinsarten, und gerade das weichere Gestein bereitete der Bohrmaschine Probleme. Ausserdem kam sie an einigen Stellen den Gletschern zu nahe. Deshalb mussten Kurven gebohrt werden. Auch der schwierige Abtransport des Schutts verzögerte den Bau. Die Gesamtkosten kletterten auf 36 Millionen Franken. «Das hat mich fast den Kopf gekostet», erinnert sich Bumann.

Ende gut, alles gut. Am 19. Dezember 1984 wurde die Metro Alpin feierlich in Betrieb genommen. Die grösste Boulevardzeitung der Schweiz widmete dem Ereignis jedoch nur wenige Zeilen. Dem wollte Bumann nachhelfen und liess das Gerücht streuen, die Arbeiter auf 3500 Meter Höhe seien von Ratten angegriffen worden. Diese skurrile Story ging um den Globus und war sogar in Nepal zu lesen, wo einer von Bumanns sechs Söhnen gerade Bergtouren unternahm. Dieser soll, als er die Geschichte las, schmunzelnd gesagt haben: «Typisch Vater.» Der jedoch hatte sein Ziel erreicht: Saas Fee und die Metro waren nun weltweit in aller Munde.

Saas Fee Bergbahnen AG, 3906 Saas Fee. Telefon 027 958 11 00

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Die Fahrten mit der Metro sind im Skipass enthalten.
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Bilder von Seilbahnen und Skiliften: www.seilbahnbilder.ch
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