50-PB Handeck - Gerstenegg
Als Anfang der 70er-Jahre das unterirdische Pumpspeicherkraftwerk Grimsel 2 gebaut werden sollte, benötigte man eine leistungsfähige und von der steilen Passstrasse unabhängige Transportmöglichkeit. Die damals bereits bestehende Pendelbahn von den Kraftwerken an der Handeck hinauf zur Staumauer des Räterichsbodensees, der sogenannten Gerstenegg, kam aufgrund ihres maximalen Transportgewichts von lediglich einer Tonne für diese Aufgabe nicht in Frage. Eine grössere Pendelbahn mit deutlich mehr Transportkapazität musste her. Durch die auf Sonderlösungen spezialisierte Firma Habegger liess man daher 1974 parallel zur bestehenden Bahn eine neue Anlage mit einer möglichen Maximallast von 10 Tonnen bauen. Die Bahn wurde so konzipiert, dass an den Gehängen wahlweise sowohl Lasten, wie auch eine der beiden Personenkabinen befestigt werden konnte. So war gleichzeitig zum Materialtransport auch die Beförderung von Bauarbeitern und Kraftwerkpersonal möglich. Bis zu 50 Personen pro Fahrt finden in den Kabinen Platz. Lasten können entweder auf Lastbarellen oder direkt am Gehänge transportiert werden. Eine fest montierte Seilwinde am Gehänge sorgt dabei für eine Vereinfachung der Abläufe.
Auf den gut drei Kilometern Streckenlänge waren insgesamt vier Stützen nötig. Die jeweils erste und letzte, bei beiden verläuft die Fahrspur in Bodennähe, wurden dabei in Portalform ausgeführt. Den Antrieb installierte man in der Talstation. Allerdings nicht etwa wegen der einfacheren Zugänglichkeit, sondern weil sich dort das ganze Jahr über rund um die Uhr ein Mitarbeiter befindet um bei Bedarf vor Ort Bedienungen an den im Normalfall aus der Firmenzentrale in Innertkirchen ferngesteuerten Kraftwerksanlagen - drei Kraftwerke befinden sich an der Handeck, zwei davon unterirdisch - vornehmen zu können und so auch jederzeit zur Verfügung steht um die Seilbahn in Betrieb zu nehmen wenn sie benötigt wird.
Da das Kraftwerk Grimsel 2 von der Gerstenegg aus durch einen zwei Kilometer langen Stollen erschlossen ist, platzierte man die Bergstation der Seilbahn unmittelbar am Stollenportal um so einen direkten Warenumschlag zu ermöglichen. Die bergwärts gesehen linke Fahrspur der Seilbahn endet dabei direkt vor dem Eingangstor, so dass Lasten hier bequem auf einen LKW, bzw. während der Bauzeit auf die damals verkehrende Stollenbahn, abgesenkt werden können. Eine Videoüberwachungsanlage ermöglicht dem Maschinisten in der Talstation die Beobachtung der Situation am Stollenportal, sowie am Perron der Seilbahn.
Obwohl nur noch selten grössere Lasten zu transportieren sind, können die Kraftwerke Oberhasli bisher nicht auf die Seilbahn verzichten. Im tiefen Winter ist sie die einzige Verbindung zu den höher gelegenen Kraftwerken und Stauseen, sowie zu dem in einem Seitenarm des Zugangsstollen gelegenen Felslabor der Nagra, die hier nach Lösungen für die Endlagerung von Atommüll forscht. Seit 2001 dürfen auch ausserhalb der beliebten Besucherführungen firmenfremde Fahrgäste transportiert werden. Jeden Winter zwischen Dezember und April findet öffentlicher Fahrbetrieb statt. Hauptzielgruppe sind dabei Skitourenfahrer und Schneeschuhwanderer, die die winterliche Ruhe und die einzigartige Landschaft am Grimselpass auf sich wirken lassen wollen. Zu ihnen gesellen sich hin und wieder einige Gäste des Hotel Grimselhospiz, welches seit einigen Jahren auch im Winter geöffnet ist und gerne für Seminare in der Abgeschiedenheit der Bergwelt genutzt wird. Da die Bahn allerdings nur eine kantonale Konzession besitzt, dürfen bei öffentlichem Betrieb maximal acht Personen pro Fahrt transportiert werden - für die Fahrgäste freilich ein Vorteil, haben sie doch so ausreichend Platz in der Kabine um die grandiose Aussicht auf die umliegende Bergwelt geniessen zu können.
Um den Zugang zu den Kraftwerksanlagen zu vereinfachen, jedoch auch im Zusammenhang mit Ausbau- und Neubauprojekten, hat man im Sommer 2009 mit dem Bau eines Stollens von der Handeck hinauf zur Gerstenegg begonnen. Damit wird die interessante Seilbahn über kurz oder lang überflüssig werden. Bisher ist noch nicht endgültig bekannt ob sie für Fahrgäste nach Öffnung des Stollens weiter betrieben werden soll. Wünschenswert wäre dies aus seilbahntechnischer Sicht auf jeden Fall, handelt es sich doch um eine technisch durchaus sehr interessante Anlage.
Link zum Datenblatt
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Die imposante Talstation an der Handeck.
Der selbe Anblick nochmal, nun jedoch mit beiden Kabinen. Das zweite Gehänge wurde da gerade für Lastentransporte genutzt.
Blick von der Talstation auf die Strecke mit der ersten Stütze, die in Portalform ausgeführt ist. Zu sehen sind auch die beiden Lastbarellen, die auf einer Abstellfläche ein wenig oberhalb der Talstation abgestellt werden wenn sie nicht in Verwendung sind.
Eine Kabine unterwegs auf ungefähr halber Strecke.
Selber Ort, anderer Standpunkt. Während der Fahrt geniesst man einen tollen Ausblick auf die eindrückliche Bergwelt.
Ein nicht alltäglicher Anblick: Ein Gehänge ohne Kabine und Barelle unterwegs. Unter der halbrunden Abdeckung befindet sich die Winde.
Zwischen den Stützen 2 und 3 verläuft die Strecke in einem langen Spannfeld hoch über einer kleinen Hochebene.
Kabine 1 wird demnächst mit Kabine 2 kreuzen. Im Hintergrund ist die weltbekannte Gelmerbahn im Wald zu erkennen. Ein wenig oberhalb an deren Talstation befinden sich die Fundamente von Stütze 2.
Die Stütze 3 liegt oberhalb einer Felskante und ist der höchste Punkt der Strecke. Zur Bergstation hin fällt sie wieder leicht ab.
Die Bergstation liegt direkt am Fels und bildet den Eingang zum Zugangsstollen des unterirdischen Kraftwerks Grimsel 2. Der Betonbau links ist ein Seitenzugang zum Stollen.
Die Kabine 2 in der als massiver Betonbau ausgeführten Bergstation.
Die eindrucksvolle Maschinenanlage befindet sich in der Talstation.
Mit einer Leistung von 933 PS wird die Maximallast von 10 Tonnen mit Leichtigkeit befördert.
Eine grosse Bahn braucht auch eine anständige Bremse.
Nur wenige Seilbahnantriebe weisen eine solche Grösse auf. Im Hintergrund die Wendeltreppe zum auf Perronebene gelegenen Kommandoraum als Grössenvergleich.
Die Ward-Leonard-Gruppe zur Drehzahlregelung. Die Soundkulisse erfreut das Herz jeden Seilbahnfans.
Bei Stromausfall sorgt dieser Notdiesel weiter für einen sicheren Betrieb. Er wirkt direkt auf das Getriebe.
Das Bedienpanel des Notdiesels.
Die Umlenkung von Zug- und Tragseilen in der Talstation.
Blick hinunter in der Tragseilspannschacht.
Das Kommandopult in der Talstation. Die Bahn wird jeweils örtlich durch einen Maschinisten in Gang gesetzt.
Die Wagenstandsanzeige und der Bildschirm für die Videoüberwachung der Bergstation.
Hier noch ein Video in welchem auch diese Seilbahn kurz zu sehen ist:
Link zum Video
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Re: 50-PB - Handeck - Gerstenegg
Sehr interessant, danke!