Seilbahnsafari Stans-Grimsel-Biasca | 1.-3. Oktober 2010 [1]

Sommerberichte aus dem Berner Oberland und dem Berner Mittelland.
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Felix
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Seilbahnsafari Stans-Grimsel-Biasca | 1.-3. Oktober 2010 [1]

Beitrag von Felix »

Seilbahnsafari Stans-Grimselpass-Biasca | 1.-3. Oktober 2010 [Teil 1/2]

Mitte Februar war es, als ich eines kalten Winterabends meine tägliche Runde durch das Forum drehte. Dass es in der internen Forumsrubrik "Privat" orange aufleuchtete, war doch ein eher seltener Anlass, sodass der dortige Beitrag mein Interesse weckte. Der Titel des Themas war noch eine Spur verheissungsvoller, migi verwies auf eine Besichtigung der Kraftwerke Oberhasli, einem spannenden Besuch, den er bereits öfters mit Gruppen durchgeführt hatte und der mir auch schon aus einzelnen Berichten aus dem Alpinforum bekannt war. Zwar interessierte mich die Kraftwerksbesichtigung brennend, doch so kurzfristig konnte ich leider nicht daran teilnehmen. Umso erfreulicher war hingegen, dass einen knappen Monat später bereits die nächste Führung organisiert wurde, diesmal für einen Termin im Oktober. Nach einem Blick in den noch leeren Terminkalender schickte ich auch schon die Anmeldung für die Besichtigung ab.

Dass der Termin genau zwischen das Ende meines Zivildienstes und dem Beginn des Studiums fiel, erwies sich als optimal, da ich so ohne grosse Umstände noch zwei Tage an das Wochenende anhängen konnte. So entschied ich mich dazu, auf der Hinfahrt noch die eine oder andere interessante Bahn auf dem Weg von Deutschland ins Berner Oberland mitzunehmen, für den Tag nach der Besichtigung plante ich eine Weiterfahrt in die zweite Heimat, das Bündnerland, via Wallis und Tessin.

Nach einem letzten Check machte ich mich am frühen Freitagmorgen, dem ersten Oktober, auf den Weg in Richtung Süden. In der Zentralschweiz wollte ich mir noch einige Leckerbissen an Kleinpendelbahnen ansehen. Ursprüglich wollte ich im Sommer bereits zwei Tage lang einen Bahnmarathon im Engelbergertal und rund um Emmetten durchführen und möglichst viele der Bahnen fahren, was sich aber aufgrund fehlender Zeit und schlechtem Wetter schlussendlich nicht ausging. So musste ich mich mit dem Ablichten der Bahnen zunächst begnügen, vielleicht wird es ja im kommenden Jahr etwas mit den geplanten Fahrten. Nach einer reibungslosen Fahrt erreichte ich am frühen Nachmittag die Urner Enklave Seelisberg, welche per Strasse nur über den Kanton Nidwalden erreichbar ist. Eine altehrwürdige Standseilbahn stellt vom Seeufer des Vierwaldstättersees in Treib eine Verbindung zum Ort Seelisberg dar, weiter oberhalb des Dorfes trifft man eine Kleinpendelbahn aus dem Hause Niederberger an, welche ich aber leider nur aus der Ferne begutachten konnte.

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Die Bergstation der Standseilbahn Treib-Seelisberg. Gebaut wurde die Anlage - wie sollte es eigentlich auch anders sein - von Von Roll.

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Strecke der Standseilbahn Treib-Seelisberg mit der Rigi Hochfluh im Hintergrund.

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Ein Fragment der angesprochenen Pendelbahn oberhalb von Seelisberg.

Da der Weg nach Seelisberg eine Sackgasse ist, musste ich zwangsläufig wieder über die selbe Strasse zurück, über die ich bereits gekommen war. So führte mich der Weg wieder zu einigen Bahnen, die ich auf dem Hinweg links, oder genau genommen rechts, liegen gelassen hatte. Emmetten ist nicht nur für sein gemeinsames panoramastarkes Skigebiet gemeinsam mit der Klewenalp oberhalb von Beckenried bekannt, Seilbahninteressierte wissen, dass hier auch abseits der Skipisten von kleinen Bahnen nur so wimmelt.

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Eine kleine Privatbahn führt von Emmetten nach Hammen. Die einspurige Bahn weist eine Stütze auf und erschliesst einige Häuser hinter des hier sichtbaren Grats.

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Die schlichte Talstation der kleinen Pendelbahn Egg-Hammen.

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Nur wenige Meter entfernt trifft man die Pendelbahn Emmetten-Niederbauen an. 1913 wurde auf dieser Strecke bereits die erste Personenseilbahn eröffnet, im vergangenen knappen Jahrhundert wurde die Bahn mehrmals umgebaut und vergrössert, eines blieb aber allen Generationen gemeinsam: der Hersteller, Seilbahnpionier Niederberger und Söhne aus dem nahegelegenen Dallenwil.

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Heute fassen die blauen Kabinen acht Personen. Auf dem Niederbauen war einige Jahre lang auch ein Skilift von Müller in Betrieb, der allerdings nach einigen Jahrzehnten Stillstand vor einigen Jahren abgebaut wurde.

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Ein wenig weiter westlich, zentral im Ort gelegen, hat die Pendelbahn Emmetten-Eggeli ihre Talstation. Auch hier handelt es sich um eine Privatbahn, welche ausnahmsweise aber Schilder des Herstellers Garaventa trägt. 1992 wurde die ursprünglich von Niederberger erstellte Bahn durch den besagten Hersteller aus Goldau generalüberholt.

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Die Strecke weist keine Stützen auf.

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Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich die Talstation der 2007 neu gebauten Kabinenbahn Emmetten-Stockhütte. Die Bahn mit ihren sechsplätzigen Kabinen stellt die Verbindung zum Skigebiet Stockhütte-Klewenalp dar und ersetzte die letzte originale Müller-Kabinenbahn der ersten Generation auf eidgenössischem Boden.

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Die zu Beginn sehr steile Strecke der Kabinenbahn Emmetten-Stockhütte.

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Die letzte Emmettener Kleinpendelbahn trägt den Namen Waldi-Kalthütten. Relativ modern ausgestattet ist sie mit ihren beiden geschlossenen vierplätzigen Kabinen. Originalkonstrukteur, wer hätte es erwartet, war natürlich Niederberger, Dallenwil.

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Auf dem Rückweg durfte natürlich auch ein Foto der Pendelbahn von Beckenried zur Klewenalp fehlen. Hierbei handelt es sich um ein Von Roll-Flaggschiff, das übrigens per selbigem auch direkt vom Ufer des Vierwaldstättersees zu erreichen ist.

Zügig ging es weiter in Richtung Bürgenstock, diesmal allerdings hatte ich keine existente Bahn mehr als Ziel, sondern eine bereits seit vielen Jahrzehnten nicht mehr existente Kleinpendelbahn. Bereits vier Jahre zuvor war ich auf der Suche nach ebendieser Seilbahn am Mattgrat, einem östlichen Ausläufer des Bürgenstocks, fand sie aber mangels Kartenmaterial damals nicht. Diesmal stellte sich die Suche dank vorhandenen Karten deutlich einfacher heraus, und trotz einem ungewollten Verfahren stand ich wenig später vor der Bergstation der ehemaligen Seilbahn.

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Na ja, den Eindruck einer Seilbahnstation erweckte das Gebäude nicht. Ein Blick...

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... in die Station ...

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... und ins Untergeschoss liessen aber keine Zweifel aufkommen. Hier handelte es sich definitiv um die Oehler-Seilbahn aus dem Jahr 1934.

Beim Blick auf die Uhr machte ich mir langsam Gedanken, ob es nicht doch sinnvoller wäre, direkt nach Innertkirchen zu fahren, schliesslich hatte ich noch keine Unterkunft und langsam aber sicher ging der Nachmittag in den Vorabend über. Doch ohne lang zu zögern entschloss ich mich dazu, zumindest einige ausgewählte Bahnen im Engelberger Tal noch abzulichten, die eigentlich geplante Fahrt über den Ächerlipass dann aber nicht durchzuführen. Zumindest namhaften Bahnen wie die spektakuläre Zingelseilbahn wollte ich einmal live gesehen haben, wer weiss, wie lange sie noch steht!

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Schon auf dem Weg Richtung Engelberg wird der Blick auf die Pendelbahn Untertrübsee-Obertrübsee möglich. Ganz so weit wie zu diesem im Volksmund genannten Älplerseil sollte mich der Weg aber nicht führen.

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Die erste Bahn an der Hauptstrasse südlich von Wolfenschiessen auf der Agenda war die Seilbahn Geissmattli-Büelen, ein typisches Garaventa-Produkt aus den 90ern.

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Weiter ging es zur ebenfalls nahe der Hauptstrasse gelegenen Seilbahn Mettlen-Rugisbalm, die fortgeführt wird durch die zweite Sektion zur Diegisbalm, die man vom Talboden allerdings nicht sehen kann. Beide Anlagen wurden durch die Firma Niederberger erstellt und stehen für den kommenden Sommer bei mir ganz oben auf der Prioritätenliste.

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Nachdem die Zeit drängte liess ich die eine oder andere Bahn entlang der Strasse aus, um in jedem Fall noch eine ganz bestimmte Bahn einmal live ansehen zu können: die spektakuläre Wasserballastbahn Obermatt-Unter Zingel. 1921 von Niederberger erstellt, pendelt sie noch immer quasi unverändert mit ihren beiden offenen Kabinen zwischen Berg- und Talstation hin und her. Eine Bewilligung für den öffentlichen Personentransport besitzt sie schon lange nicht mehr, wer möchte, kann aber auf eigene Gefahr mitfahren.

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Die Strecke zählt sicher schon zum spektakulärsten, was man mit einer Seilbahn überhaupt befahren kann - wenn man sich nun aber noch vorstellt, diesen Weg zum Gipfel der Felswand in einer offenen Holzkiste zu bewältigen, da schlägt das Seilbahnherz höher! Eine Fahrt mit dieser Bahn gehört sicher zum mit Abstand grössten Nervenkitzel, den man heute in der Schweizer Seilbahnwelt noch erleben kann. Wer braucht schon 8er Sesselbahnen mit Sitzheizung, wenn es so etwas gibt? ;)

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Sicher auch sehr spektakulär, aber aufgrund der geschlossenen Kabinen doch etwas humaner präsentiert sich die Pendelbahn Grafenort-Bruniswald, die einmal nicht von der Firma Niederberger, sondern vom Seilbahnkonstrukteur Küpfer erbaut wurde.

Da ich bei weitem nicht alle Bahnen im Engelbergertal fotografierte, sei an dieser Stelle ein Verweis auf die Fotogalerie gegeben, in der sich zahlreiche weitere Bahnen finden, die ich 2005 fotografierte.

Eine günstige Unterkunft in Innertkirchen war schnell gefunden, sodass ich mir noch einmal das Programm für den kommenden Tag vor Augen führte. Für den zweiten Oktober war ich zur angesprochenen Führung durch die Grimselwelt angemeldet.

Dass ich direkt in Innertkirchen eine Unterkunft fand, erwies sich als sehr vorteilhaft, denn so hatte ich am nächsten Morgen nur zwei Minuten Anreise zur Zentrale der Kraftwerke Oberhasli (KWO), welche sich etwas grimselaufwärts ausserhalb des Orts befindet. Gegen Viertel vor Neun erreichte ich als einer der ersten Führungsteilnehmer den grosszügigen Besucherparkplatz der Kraftwerke und wenig später traf auch der grösste restliche Teil der Gruppe mit dem Regio am Bahnhof Innertkirchen ein. Nach einer kurzen Einführung in der Zentrale Innertkirchen ging es mit dem Bus zur Handeck, von wo wir uns fortan per Seilbahn dem Grimselpass näherten.

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Blick auf die ersten beiden Stützen der verbliebenen Pendelbahn Handeck-Gerstenegg, deren parallele, kleinere Bahn 2004 abgebrochen wurde. Doch auch die Tage dieser unter anderem auch beliebten Ausflugsbahn sind gezählt: Ein wetterunabhängiger Stollen zur Gerstenegg ist als Ersatz bereits im Bau.

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Auf dem langen Spannfeld zwischen den beiden mittleren Stützen begegnete uns lediglich eine Materialbarelle, eine Kabine war aufgrund von Bauarbeiten an der Bergstation nicht angehängt.

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Ausblick von der Gerstenegg Richtung Norden.

Es folgte ein Transport wahlweise mit Velo oder Kleinbus zum unterirdischen Kraftwerk Grimsel II, welches wir im Anschluss an die Fahrt besichtigten - ein wirklich hochinteressantes Erlebnis, das ich jedem Leser absolut weiterempfehlen kann!

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Auch ein Blick in die Kristallkluft durfte im Anschluss an die Kraftwerksbesichtigung nicht fehlen.

Nachdem wir wieder ans Tageslicht gelangten, gab es eine Rast am Sommerloch. Wie im Flug waren die letzten gut 3,5 Stunden vergangen, sodass eine kleine Stärkung bei prächtigem Sonnenschein gerade recht kam. Den folgenden Weg nahmen wir wieder oberirdisch in Angriff - nun sollte es auf den etwas exklusiveren Teil der Besichtigung gehen, auf dem Programm stand eine Fahrt mit drei Sektionen Seilbahn via Grimsel-Hospiz und dem Wasserschloss Kessiturm zum Oberaarsee.

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Warum die Besichtigung den Titel "Die Kraft des Wassers" trug, wird auf diesem Bild, das während der Mittagspause entstand, ersichtlich.

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Mitunter etwas merkwürdig fügen sich diese Steine in die Landschaft ein! Hierbei handelt es sich um eine ehemalige Militärstandseilbahn am Sommerloch.

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Von der Bergstation der Seilbahn Sommerloch-Grimselnollen wurde ein erster Blick auf die imposante Kulisse der oberen Grimselregion möglich.

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Für unsere rund 20-köpfige Gruppe war die Kabine dann doch etwas zu klein - umso besser für ein gutes Fotomotiv, musste die Bahn doch zwei Mal fahren.

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Spektakulär führte uns die zweite Sektion Pendelbahn vom Grimselnollen hinauf zum Wasserschloss Kessiturm. Die Bahn überquert dabei den Grimselstausee.

Nach einer wirklich sehenswerten Führung durch das Wasserschloss Kessiturm gelangten wir durch einen Ausgang in die Freiheit und konnten so das traumhafte Panorama Richtung Oberaar sowie Richtung Innertkirchen bestaunen. Man wusste gar nicht so recht, was nun eigentlich am schönsten war - die Seilbahnen, die imposante Technik der Kraftwerke oder doch die Aussicht? Alle drei Komponenten machten den Tag jedenfalls zu einem aussergewöhnlichen Erlebnis.

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Blick vom Wasserschloss Kessiturm Richtung Oberaar.

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Mit Hilfe der dritten und letzten, sehr langen Sektion machten wir uns auf zum höchsten Punkt der Besichtigung, dem höchsten der drei grossen Stauseen, dem Oberaarsee.

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Wie die Sektion Grimselnollen-Kessiturm verläuft auch jene zum Oberaarsee vor der Bergstation abschüssig und endet direkt an der Staumauer. Erbaut wurden die Bahnen übrigens gemeinsam von den Firmen Küpfer und Streiff, für beide eine absolute Seltenheit, solche Bahnen mit zwei Tragseilen pro Fahrspur.

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Der Oberaarsee mit dem gleichnamigen Gletscher im Hintergrund. Über die Sommermonate ist der See über eine für den Publikumsverkehr freigegebene Werksstrasse der KWO erreichbar. Derzeit wird allerdings überlegt, ob die Strasse nicht wieder geschlossen werden soll und stattdessen die Seilbahn für die Öffentlichkeit freigegeben werden soll. Mich wundert es eigentlich, dass man das nicht schon längst so gemacht hat!

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Auf Talfahrt mit der Seilbahn über den Grimselsee.

Erschöpft vom ereignisreichen Tag erreichten wir gegen 18 Uhr wieder die Zentrale Innertkirchen, wo sich die Gruppe verabschiedete und jeder Teilnehmer seine Heimreise antrat. So erging es auch mir, auch wenn die Heimreise sich bei mir noch etwas hinauszögerte. Denn eine weitere Nacht sollte ich in Innertkirchen noch verbringen, ehe es für den kommenden Tag geplant war, via Grimselpass über das Tessin ins Bündnerland zu fahren.

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