80-ST Lauterbrunnen - Grütschalp (ersetzt)
Bereits im Frühjahr 1887 kamen Pläne auf, das auf einer Geländeterrasse gelegene Bergdorf Mürren mit einer Bahn von Lauterbrunnen aus zu erschliessen. Die lokale Bevölkerung konnte anfänglich jedoch an dem Bahnprojekt nicht viel Gutes finden. Man bevorzugte die Ruhe der Natur ohne störende Touristen aus aller Welt. Zudem hatte man kurz zuvor dem Bau der Talbahn von Interlaken nach Lauterbrunnen nur mit der Bedingung zugestimmt, dass die beiden Dörfern Wengen und Mürren von einem Bahnanschluss verschont blieben damit die dortige Bevölkerung weiterhin ihre Ruhe geniessen konnte. Trotzdem erteilte der Bundesrat noch im Sommer des selben Jahres die Konzession für eine Bahn mit zwei Sektionen. Dabei sollte es sich bei der ersten Sektion um eine mit Wasserballast betriebene Standseilbahn handeln. Die zweite Sektion sollte als meterspurige Adhäsionsbahn realisiert werden.
Nach zweijähriger Bauzeit konnte der Bahnbetrieb im Sommer 1891 aufgenommen werden. Die Bahn wurde von Anfang an gut angenommen und fuhr satte Gewinne ein. Auch die Zweifel in der Bevölkerung konnten grösstenteils beseitigt werden. Zu bequem war das anfänglich unerwünschte Transportmittel, ersparte es doch vor allem bergwärts einen kräftezehrenden Aufstieg.
Die Strecke der Seilbahn war schnurgerade trassiert worden und verlief zu grossen Teilen auf gemauerten Brückenkonstruktionen. Jeder Wagen besass sein eigenes Gleis, wobei die innenliegende Schiene von beiden Wagen benutzt wurde. Lediglich im Bereich der Ausweiche war die Strecke auf zwei komplett getrennte Gleise aufgeweitet. Für den Antrieb per Wasserballast wurde extra eine Wasserleitung vom durch den imposanten, gleichnamigen Wasserfall bekannten Staubbach bis zur Grütschalp gebaut. Hinter der Bergstation befand sich ein grosses Wasserreservoir um immerzu auf ausreichend Wasservorräte zurückgreifen zu können. Zur Regulierung der Geschwindigkeit besass jeder Wagen zwei Bremszahnräder, welche auf eine zwischen den Schienen angebrachte Zahnstange wirkten und vom Wagenführer über eine Spindel manuell zu betätigen waren. Der Verschleiss der Bremsklötze war jedoch aufgrund des steilen Geländes so unerwartet hoch, dass man die Bahn bereits im Jahr 1902 auf elektrischen Antrieb umrüstete. Gleichzeitig wurden die 40-plätzigen Wagen durch neue mit 60 Plätzen ersetzt um die Beförderungskapazität steigern zu können.
Sieben Jahre später konnte die Strecke durch den Abbruch eines Hotels talseitig um einige Meter verlängert werden. Die neue Talstation kam direkt gegenüber des Bahnhofs der Berner Oberland Bahn (BOB) zu liegen und ersparte den Fahrgästen fortan einen kurzen Spaziergang durch das Dorf. Einige Überreste der Treppen der alten Station blieben allerdings weiterhin erhalten, wenngleich sie keinen Nutzen mehr hatten.
Im Jahr 1950 wurde die gesamte Bahn grundlegend erneuert. Dabei wurde die Strecke auf zwei Schienen umgebaut und die bisher von beiden Wagen genutzte Mittelschiene entfernt. Für die Ausweiche wurden sogenannte Abt’sche Weichen eingebaut, welche ohne bewegliche Teile auskommen. Zudem wurden erneut die Wagen ersetzt. Ein neuer Antrieb sorgte zudem für eine um die Hälfte kürzere Fahrzeit von neu nur noch elf statt zuvor 20 Minuten.
Da der Warentransport für das autofreie Mürren seit jeher über die Standseilbahn erfolgt - die Alternative wäre die Schilthornbahn weiter hinten im Tal - wurde in den 90er-Jahren die Bergstation Grütschalp mit einem modernen Umladekran ausgestattet, welcher einen einfachen Umlad der speziellen Transportbehälter auf die Schmalspurbahn ermöglicht. Da die Güterwagen der Standseilbahn sich talseitig befanden, musste ein beträchtlicher Höhenunterschied zurückgelegt werden. Dazu wurde die Plattform mit den Greifarmen auf ein auf Schienen laufendes fahrbares Untergestell aufgebaut. Durch die doppelseitige Ausführung der Hubeinrichtung konnte beim Umladevorgang Zeit gespart werden da bei jeder Talfahrt zum zu entladenden Güterwagen der Standseilbahn gleichzeitig bereits ein zu Tal zu transportierender Behälter mitgenommen werden konnte.
Der seit langer Zeit stark instabile Hang, auf welchem die Standseilbahn verlief, führte nach der Jahrtausendwende zu grossen Diskussionen über einen Ersatz der über 100 Jahre alten Bahn. Die Trasse rutschte mit den Jahren immer weiter ab, es entstanden Risse in den Brückenbauwerken. Darüber hinaus waren die Gleise stark verformt und mussten mittels improvisierter Konstruktionen regelmässig wieder gerichtet werden um weiterhin einen sicheren Betrieb zu ermöglichen. Das alles führte dazu, dass das Bundesamt für Verkehr fortan nur noch eine befristete Konzession erteilte.
Es wurden daraufhin verschiedene Varianten für eine neue Bahn geprüft. Unter anderem diskutierte man auch über eine neue Standseilbahn, welche grösstenteils unterirdisch in einem Tunnel verlaufen sollte. Ebenfalls dachte man darüber nach die Grütschalp aussen vor zu lassen und eine Luftseilbahn von Lauterbrunnen zur Winteregg zu errichten, wo der Anschluss an die bestehende Adhäsionsbahn gegeben gewesen wäre. Schlussendlich entschied man sich nach langem Hin und Her und mehreren Debatten über die Frage, wer denn die Kosten für den Neubau zu übernehmen habe, für eine Pendelbahn. Die neue Anlage sollte als Windenbahn mit nur einer Kabine ausgeführt werden. Dies um einerseits Kosten zu sparen, andererseits um Teile der Gebäude der Tal- und Bergstation weiter nutzen zu können. Die vier nötigen Stützen plante man an rutschsicheren Stellen.
Noch während dem laufenden Betrieb der alten Standseilbahn wurden die ersten Vorarbeiten an der Strecke ausgeführt. Am 23. April 2006 verkehrte die alte Standseilbahn schliesslich zum letzten Mal. Direkt im Anschluss begann der Abbruch der Gleisanlagen im Bereich der neuen Stützen. Die restlichen Streckenabschnitte wurden teilweise erst nach dem Bau der neuen Bahn entfernt und renaturiert um sich in der Bauphase ganz dem Neubau widmen zu können. Während dem ganzen Sommer 2006 wurde eifrig gebaut. Eine Materialseilbahn sorgte für den Transport der Baumaterialien sowie für den Abtransport der alten Teile der Standseilbahn. Gleichzeitig mit dem Bau der Stützen begann auch der Umbau der Tal- und Bergstation. Die Talstation erhielt einen gläsernen Vorbau und einen neuen, behindertengerechten Innenausbau mit Aufzug und Rolltreppen. In der Bergstation passte man die Warenumladeanlage an und errichtete hinter dem eigentlichen Stationsgebäude ein neues Maschinenhaus, welches die über vier Meter grosse Windentrommel aufnimmt. Diese wird von zwei seitlich angebrachten Elektromotoren angetrieben die insgesamt eine Leistung von 2970 PS erbringen, was auch den Transport von grösseren Lasten zu einem Kinderspiel werden lässt. Bis zu sechs Tonnen Gewicht können mit der Pendelbahn pro Fahrt befördert werden - massiv mehr als zuvor mit der Standseilbahn möglich.
Am 16. Dezember 2006 ging die neue Pendelbahn in Betrieb. Die Fahrzeit hat sich von elf auf nunmehr vier Minuten reduziert. Gleichzeitig konnte die maximale Förderkapazität nahezu verdoppelt werden. Dies ist auch im Sinne der Fahrgäste, welche bei der Standseilbahn in der Hochsaison oft längere Wartezeiten in Kauf nehmen mussten.
Link zu den Datenblättern:
- 80-ST Lauterbrunnen - Grütschalp
- 100-PB Lauterbrunnen - Grütschalp


































