75-SPB Engelberg - Gerschnialp
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Engelberg darf man als eines der bekannteren Dörfer der Schweizer Alpen bezeichnen. Die Obwaldnerische Exklave genoss insbesondere durch das 1120 gegründete Benediktinierkloster grosses ansehen. Die Enklave lässt sich dadurch erklären, dass einzig der Kanton Nidwalden nicht sich der Bundesverfassung anschliessen wollte, sondern zur zur stätischen Verfassung zurück wollte, als Folge der blutigen Niederschlagung des nidwaldnerischen Widerstandes 1798 durch die Franz. Truppen. Engelberg aber war für die Bundesverfassung. Daher trennte sich Engelberg von Nidwalden und bekam durch die politische nähe zu Obwalden im laufe der Zeit zur Obwaldner Exklave.
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts kam der Touristische Aufschwung, und somit entstanden in Engelberg bereits die ersten Hotels, einen Kursaal sowie ein Kurpark. Als erste vollelektrische Meterspurbahn wurde 1898 die Luzern-Stans-Engelberg-Bahn eröffnet, womit der Tourismus in Engelberg stark angekurbelt wurde.
Anfangs des 20. Jahrhunderts wurde die Gerschnialp zum Ziel einer Erschliessung durch eine Drahtseilbahn. Zu diesem Zweck wurde die Drahtseilbahn Engelberg-Gerschnialp AG im Jahr 1911 gegründet. Lieferant der Standseilbahn war die Maschinenfabrik Theodor Bell in Kriens. 1913 konnte die Standseilbahn dem Publikumsverkehr übergeben werden.
Die Folgen des ersten Weltkrieges führten zu einem Einbruch der Besucherzahlen und damit zum Gesuch der Nachlassstundung im Jahr 1920. 1921 war die finanzielle Sanierung abgeschlossen und der Fortbestand der Bahn gesichert. Mit der Fertigstellung der Luftseilbahn von Gerschnialp nach Trübsee im Jahr 1927, erbaut durch die Firma Bleichert aus Leipzig, wuchsen die Besucherzahlen dann sprunghaft an.
1950 folgte dann der erste grössere Umbau. Die alten Wagen wurden durch neue Leichtmetallwagen von Gangloff ersetzt. Zudem wurde ein neues Drehgestell durch die Maschinenfabrik Bell fabriziert. Der grosse Umbau der Antriebs- und Steuerungseinheit geschah 1964. Dabei wurde neben dem Kompletterneuerung des Antriebes durch Bell der stufengeschaltete Drehstrommotor durch einen Gleichstromantrieb, System Ward-Leonard, Fabrikat Brown Boveri ersetzt. Ein erneuter Ersatz der Steuerung erfolgte ca. in den 90er-Jahren durch die Frey Stans AG. Der letzte Umbau geschah 2010. Dabei wurde das seit 1913 bestehende Trasse samt Schienen und Brücke komplett erneuert.
Die seit 1911 eigenständige Aktiengesellschaft, welche die Standseilbahn betrieb, fusionierte 1982 mit den Luftseilbahnen Stand-Trübsee AG zur heute noch bestehenden Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG. Mit der Eröffung der Kabinenbahn von Engelberg via Gerschnialp zum Trübsee im Jahr 1984, erbaut durch Von Roll-Habegger, fuhr die Standseilbahn drei Jahrzehnte ohne festen Fahrplan und wenn, dann nur bei grosser Auslastung der Kabinenbahn oder Revisionen. Mit der Inbetriebnahme der jetzigen Kabinenbahn im Jahre 2015, erbaut durch Doppelmayr-Garaventa, verkehrt die Standseilbahn wieder alle 20 Minuten in der Hauptsaison. Dies da die neue, längere Kabinenbahn die Mittelstation nicht mehr bei der Gerschnialp hat, sondern beim Trübssee.
Die Talstation Engelberg. Dahinter zu erkennen das Trasse der Standseilbahn.
Der Wagen 1 in der Talstation.
Blick unter dem Wagen. Zu sehen die Kupplung der Fangbremse, links davon die Kette für die Spindel der Bremsbacken welche den Wagen im Falle eines Zugseilrisses an die Schienen festschrauben. Betätigt werden die Kupplungen durch Gestänge welche mit dem Vergusskopf und einer manuellen Auslösung beim Führerstand gekoppelt sind
Vergusskopf des Zugseiles.
Der Sender und Empfänger für die Übertragungsleitung auf der Fahrbahn.
Auf der Bergfahrt zur Gerschnialp.
Abtsche Weiche mit Wagen 2.
Da der Güngerwald gegen Gerschnialp im oberen Streckendrittel noch stärker ansteigt führt ein ca. 100 Meter langer Tunnel zur Bergstation.
Der Wagen 1 in der Bergstation.
Innenansicht des bergseitigen Führerstandes. Links das grosse Handrad zum manuellen Blockierung des Wagens auf der Strecke durch unabhängige Bremsbacken. Mittig, etwas schwerer zu erkennen, die manuelle Auslösung des Fangbremsensystemes. Ganz rechts findet man das Kommandopult wieder.
Unter dem bergseitigen Führerstand die Hebel zum Rückstellen der Kupplungen für die Fangbremsen.
Herstellerschilder im Wagen 1.
Die Bahn zeichnet sich durch eine in der schweizer Seilbahnlandschaft für eine Standseilbahn ungewöhnliche Antriebsdisposition aus. Der Maschinenraum und die Seilscheiben für die Bewegung des Zugseiles sind durch eine Wand komplett voneinander getrennt. Zu sehen hier die Antriebsscheibe.
Die Sicherheitsbremsen.
Die mittig ausgehende Welle des Getriebes gelangt durch eine Öffnung in der Wand auf die andere Seite.
Ebenso für schweizer Seilbahnen ungewöhnlich ist der Aufbau des Getriebes, fabriziert durch die Maschinenfabrik Bell im Zuge des Umbaues von 1964. Die Untersetzung vom Motor ganz rechts zur mittigen Ausgangswelle erfolgt durch 3 Getriebestufen. An der Ausgangswelle für die Seilscheibe erfolgt eine Spiegelung, das heisst, gegen Links erhöht sich die Drehzahl wieder. Dies erfolgte aus dem Grund, um auf der gespiegelten Seite mit einem zweiten Antriebsmotor die Bahn beim Ausfall des Hauptmotors Fahrtauglich zu halten. Der Zweitmotor selbst wurde aber später wieder ausgebaut. Eine Anordnung, die man sonst nur in Österreich und Deutschland bei älteren Bahnen vorfindet.
Der Gleichstrommotor im Detail.
Die Ward Leonard-Gruppe. Übertönt im Maschinenraum grundsätzlich alles und ist auch noch 100 Meter weit von der Bergstation zu hören .
Bremshydraulik selbst ist von Rexroth. Dahinter die zweite Betriebsbremse.
Herstellerschilder im Maschinenraum.
Das Typische Kommandopult der 90'er-Jahre von Frey Stans. Aber nicht mehr lange. Ab 17. Oktober 2022 wird die Bahn eine neue Steuerung von Sisag und einen Drehstromantrieb mit Frequenzumrichter erhalten.
Das Bergstationsgebäude ist so ziemlich noch das am meisten erhaltene Stück der ganzen Bahn.
Innerhalb der Station gibt es noch eine Bilderkollektion vom Wagentausch im Jahre 1950.
Darüber das originale Herstellerschild.
Hier noch zu sehen die Aufteilung der Fahrgastbereiche.
Kreuzung von oben.
Wagen 2 auf Bergfahrt.
Seitliche Ansicht. Gut zu sehen die drei Bremsen unter dem Wagen, eine davon wie vorher erwähnt zur ausschliesslich manuellen Bedienung.
Kreuzung auf der Ausweichstelle.
Zoom zur Strecke.
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Re: 75-SPB Engelberg - Gerschnialp
Vielen Dank für den schönen Bericht! Persönlich finde ich es besonders schön dass die formschönen alten Wagen bis heute nicht ersetzt wurden. Auf dass es noch möglichst lange so bleibt.
Eine kleine Anmerkung: Im Winter fuhr die Bahn an stark frequentierten Tagen als Entlastung der Gondelbahn für Schlittler, deren Schlitten sie sowieso den ganzen Tag über transportierte. Ich kam auf diese Weise zumindest mehrmals zu einer Mitfahrt.
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Re: 75-SPB Engelberg - Gerschnialp
Danke Migi. Habe den Text entsprechend ergänzt.migi hat geschrieben: ↑So, 16.10.2022, 01:03 Vielen Dank für den schönen Bericht! Persönlich finde ich es besonders schön dass die formschönen alten Wagen bis heute nicht ersetzt wurden. Auf dass es noch möglichst lange so bleibt.
Eine kleine Anmerkung: Im Winter fuhr die Bahn an stark frequentierten Tagen als Entlastung der Gondelbahn für Schlittler, deren Schlitten sie sowieso den ganzen Tag über transportierte. Ich kam auf diese Weise zumindest mehrmals zu einer Mitfahrt.
Meinte es müsste die letzte Standseilbahn mit solch unlackierten formschönen Gangloff-Kabinen sein. Alle anderen Bahnen die solche hellgraue Wagen hatten, haben jene bereits durch neue ersetzt. Schön, das man in Engelberg bei der Standseilbahn der Tradition noch Einhalt gewährt . Noch baugleiche aber rot lackierte findet man noch z.B. bei der Seelisbergbahn. Dort sind sie fast ein integraler Bestandteil.
Noch das dazugeörige Video:
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Re: 75-SPB Engelberg - Gerschnialp
Eine andere Bahn mit unlackierten Wagen käme mir jetzt spontan auch nicht in den Sinn. Ansonsten wäre da noch die Niesenbahn, deren Wagen - in meinen Augen leider - seit gut 10 Jahren ebenfalls in rotem Farbkleid daherkommen. Auch die Wagen in Unterwasser kommen in Rot daher, wobei ich mir bei Letzteres jetzt gerade nicht sicher sind ob sie auch von Gangloff stammen. Und dann wäre da noch die Muottas Muragl-Bahn, ebenfalls in Rot.