Aus gegebenem Anlass ein kleiner Rückblick auf ein Gebiet, von dem ich 2006 sehr angetan war. Gemütlich, weitläufig, interessante Schlepplifte. Und nun war's das. Für immer.
Schon zu Mitte des vergangenen Jahrhunderts entsteht in Mühlebach einer der ersten Skilifte im gesamten Goms, nahe des Dorfrands auf eine Anhöhe zwischen Ernen und Mühlebach. 1968 folgt ein weiteres Skiliftexemplar, diesmal auf Gebiet der Gemeinde Ernen; ein durchwegs flaches Exemplar. Ring umher entwickeln sich Skigebiete, die auf eine ganz ähnliche Weise ursprünglich entstehen. Hier ein Dorflift, dort eine zweite Sektion, eventuell auch eine kleine Sesselbahn. In Mühlebach bemerkt man die Entwicklung spät. 1981 schliesslich wagt man in einer Erschliessung vom Reissbrett den Zugang zum Ernergalen, einem flachen Berggrat in 2300 Meter Höhe. Eine Sesselbahn und zwei Skilifte erschliessen einige Skipisten in moderatem Gefälle. Schon viele Skigebiete dieser Art sind zwischenzeitlich entstanden, Gedanken um die langfristige Nachfrage nach derartigen Retortengebieten macht sich niemand. Die bestehenden Skilifte integriert man nicht in das neue Gebiet. Abseits gelegen sind ihre Tage gezählt, spätestens um die Jahrtausendwende ist in Ernen Schluss mit Skifahren.
Überall wird im Zuge der Modernisierung Anlage um Anlage durch eine kuppelbare Bahn ersetzt. Die Aletschregion, die Belalp und die Vispertäler enteilen dem kleinen Gebiet am Ernergalen. Es gibt dringenden Handlungsbedarf nach 20 Jahren mit der selben Infrastruktur. Eine Hotel- & Tourismuskultur hat sich nie entwickelt. Das aus dem Boden gestampfte, synthetische Skigebiet braucht eine Erweiterung, eine neue Attraktion, oder aber einen Ersatz der bestehenden Bahnen. Zu lang ist die Fahrt mit dem langsamen Zubringer, zu selten ist die Talabfahrt geöffnet, eine Beschneiung gibt es nicht. Der Zahn der Zeit nagt an der maroden Infrastruktur. Man handelt. Es kommt ein neuer Übungslift hinzu; ein fix geklemmter Stangenschlepplift von Poma. Eine zusätzliche Attraktion? Nein. Der Hang eignet sich für Anfänger, für Skischulen. Doch warum sollten die Anfänger gerade hierhin kommen? Die Auswahl auf der gegenüberliegenden Talseite ist grösser, das Angebot besser. Für neue Anlagen in Mühlebach ist kein Geld mehr da. Vorbei ist die Zeit des florierenden Skitourismus, der so vielen Skigebieten zur Gründung verhalf. Doch man sieht es kommen: Der Schwyberg, das Pendant zu Mühlebach im Kanton Freiburg, ist seit 2002 eingestellt. Von den Dorfliften im Goms sind noch deren drei übrig geblieben, dem Hungerberg in Oberwald geht es dem Ende zu. Man ist nicht mit der Zeit gegangen in Mühlebach.
2007 ist auch in Mühlebach Schluss. Der Betreiber sieht sich zwingenden Überholungen der Anlagen gegenüber gestellt, doch finanzielle Mittel sind nicht vorhanden. Und selbst wenn, was würden sie helfen? Der Betrieb ist seit Jahren defizitär, es bringt nichts, weiter in den Bestand zu investieren. Schliesslich wird das Gebiet an einen britischen Investor verschenkt, mit ihm soll alles besser werden. Neue Seilbahnen, neues Konzept, aber alte Probleme. Wo sollen die Leute auf einmal herkommen? Eine Saison wird der Betrieb subventioniert. Der starke Franken tut sein Übriges zur Sache, der Investor wirft schliesslich 2011 das Handtuch. Rien ne va plus am Ernergalen. Ungewöhnlich schnell werden die Anlagen im August 2011 abgebrochen, nach nur drei Jahren Stillstand. Es ist aus am Ernergalen, nach nur 27 Jahren. Umweltschützer sind über den Abbau der hässlichen Stahlkonstruktionen am Berg erfreut. Man möchte das Bergpanorama nicht weiterhin mit derartigen Dingen verschandeln. Man wird stattdessen anderswo das Bergpanorama nicht beeinträchtigende Windkraftwerke aufstellen. Man geht inzwischen mit der Zeit in Mühlebach.
Im April 2006 nutze ich die Gunst der Stunde, dem Gebiet einen ersten und einzigen Besuch abzustatten. Das Wetter ist schlecht, die Stimmung trüb. Quasi niemand ist auf den Skipisten unterwegs. Schöne, coupierte Hänge sind es, die sich sanft den Ernergalen hinab schlängeln. In zwei Himmelsrichtungen werden sie von Schleppliften der Marke Küpfer erschlossen. Im Tal liegt längst kein Schnee mehr, die Sesselbahn befördert die Gäste auch wieder hinab. Eine gespenstische Stimmung rund um den Weiler Chäserstatt. Kein Bahnpersonal zu sehen, keine Skifahrer. Nur die Lifte surren leise vor sich hin, ihrem Ende entgegen.
Pistenplan Mühlebach-Ernergalen, Foto vom April 2006
Ruhe in Frieden.
